Medien und Prostitution

Ein Beitrag von Ulrike Maier und Dr. Ingeborg Kraus

Bislang dominiert ein ganz bestimmtes Bild der Prostitution die deutschen Medien: Die selbstbewusste Sexarbeiterin, die ihrem Beruf gerne nachgeht. Nur vereinzelt gibt es kritische Stimmen, so wie ein Spiegel-Artikel von 2013 oder die neue ZDF-Dokumentation „Bordell Deutschland“. Durch massive mediale Gegendarstellungen, die immer noch einen romantischen Blick auf Sexarbeiterinnen werfen, verblassen diese realitätsnahen Reportagen und Fragen, die sich aus dem System Prostitution ergeben, werden erst gar nicht gestellt: Welche gesellschaftliche Konsequenzen hat der liberale Umgang mit dem Sexkauf? Wer sind die Sexkäufer? Was macht Prostitution mit Frauen? Was macht es mit Männern? Welche Konsequenzen hat Prostitution für das Verhältnis der Geschlechter untereinander? Hier ein paar Beispiele für gefährliche Verharmlosung:

  • Verzerrte Berichterstattung: Eine Wochenzeitung berichtete kurz vor Weihnachten 2017 über drei „glückliche“ Sexarbeiterinnen: „Sie kann es, sie will es.“ Solche Berichte machen Schlagzeilen und beim Leser verfestigt sich ein Bild analog zum Mythos der „Pretty Woman“ und selbstbestimmten Frau. Diese Frauen gibt es in der Tat, sie machen jedoch nur einen minimalen Prozentsatz aus. Demgegenüber stehen zehntausende Frauen, die von der deutschen Sexindustrie ausgebeutet werden. Leser/innen, die sich nicht näher mit der Thematik beschäftigen, erhalten durch solche Berichterstattungen ein verzerrtes Bild.
  • Demontage der Wirklichkeit: Die Realitäten über Prostitution werden von manchen Medien gezielt demontiert. Im Januar 2018 erklärte eine linke Tageszeitung mit einem Federstreich 30 Jahre wissenschaftliches Arbeiten über Prostitution von Dr. Melissa Farley als widerlegt. Sich mit ihren Thesen auseinanderzusetzen ist das eine, sich dem Blick auf die Realitäten zu verschließen verhindert jede kritische Debatte.
  • Fehlende Plattformen für Betroffene: Die Stimmen betroffener Frauen werden meist kritisch hinterfragt. Hier hat sicherlich auch die Prostitutionslobby ihre Hand im Spiel. Sie will ihr Geschäftsmodell verteidigen und arbeitet mit alternativen Fakten. Viele Frauen, die aus der Prostitution ausgestiegen sind, sind traumatisiert und haben Angst, ihre Stimme zu erheben. Nur sehr selten erhalten Sie eine sichere Plattform und Ihre Berichte kommen in den Medien gar nicht erst hoch.

Paradoxerweise erleben wir im Bereich der Prostitution eine gegenläufige Entwicklung zur weltweiten „Metoo“-Kampagne. Zwar äußert sich die Presse durchaus kritisch zum System Dieter Wedel. Dies steht aber im Widerspruch dazu, Prostitution als normales Gewerbe darzustellen. Immerhin geht es hier genauso um den Ausdruck sexualisierter Macht von Männern über Frauen und über Männer, die ebenfalls im System gefangen sind. Prostitution ist erlaubter weil bezahlter Sexismus.

Durch die permanente Verharmlosung in den Medien, wird Männern die Botschaft vermittelt: „Ihr wollt es – ihr dürft es!“ So wird zum Konsens dass sexuelle Übergriffe als Kavaliersdelikt gelten, und in einem solchen gesellschaftlichen Klima haben es Männer wie Dieter Wedel und Harvey Weinstein leicht.

Der deutsche „Weinstein“ unterscheidet sich allerdings in einem Punkt von seinem amerikanischen Pendant: seine weiblichen Opfer schwiegen nämlich nicht 30 Jahre wie in Hollywood. Niemand aber wollte ihnen zuhören und weder die ARD Verantwortlichen noch die Medien haben zur Aufklärung beigetragen und so ein System aufrecht erhalten, das Missbrauch begünstigt.

Der Satz „die Katholische und Evangelische Kirche seien wichtige Säulen der Sexindustrie, weil sie gegen ein Sexkaufverbot sind“, sorgte kürzlich für Empörung und führte zur Zensur des Artikels „Kirche und Prostitution“. Hinschauen, Aufklären und kritisch sein sind wichtige Aufgaben der Medien und können dazu beitragen, Frauen aus ihrer prekären Situation herauszuholen. Alles andere legitimiert die psychische und physische Zerstörung vieler Frauen und weniger Männer, die Opfer des Systems Prostitution sind.

Dr. Ingeborg Kraus und Ulrike Maier

Karlsruhe, den 04.02.2017.