Archiv der Kategorie: Psychische und körperliche Auswirkungen

Menschenhandel und Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht

Ein Text von Dr. Ingeborg Kraus, Karlsruhe, den 06.06.2022. 

Hier auch als PDF: Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht-1-pdf

Inhalt:

  • Seite 2: Einführung
  • Seite 3: Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht
  • Seite 4: Studien zur Prävalenz von PTBS bei Menschen in der Prostitution
  • Seite 9: Klinische Beispiele:
    • Körper und Geist müssen in der Prostitution ausgeschaltet werden
    • Jeder Freier ist traumatisierend
    • Dissoziation und Trauma-Gedächtnis. Die traumatischen Folgen erscheinen oft viel später.
    • Vortraumatisierungen als Einstieg in die Prostitution
    • Wir haben uns zu Mittätern gemacht und das erschwert einen Heilungsprozess für die Opfer
  • Seite 13: Viele haben ein falsches Bild von Menschenhandel-Opfer zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. Trauma-Bindungen und Traumafolgen halten die Frauen in der Zwangsprostitution.
  • Seite 15: Durch legalen Sexkauf steigt die Gewalt gegen Frauen gesamtgesellschaftlich
  • Seite 17: Schlussfolgerungen und politische Forderungen
  • Seite 18: Über die Autorin
  • Seite 19 bis 24: UnterzeichnerInnen des Appells für eine Welt ohne Prostitution

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Das Nordische Modell zu Prostitution – Ein Perspektivwechsel zum Schutz der Menschenwürde


Corona hat sichtbar gemacht, was Prostitution ist und wohin sie die Frauen führt: und zwar ins NICHTS! Viele prostituierte Frauen sind von einem Tag auf den anderen mittellos und obdachlos geworden, da sie keinen Wohnsitz hatten, sondern nur im Bordell wohnten. Die Mehrheit wurde von ihren Zuhältern in die Heimat zurückgeführt.

16 Bundestagsabgeordnete[1] von CDU und SPD haben sich Mitte Mai öffentlich für das Nordische Modell positioniert und kritisieren den liberalen Weg, den Deutschland mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 und dem Prostituiertenschutzgesetz von 2017 eingeschlagen hat. Immer mehr wird in der Politik darüber debattiert, aber Medien berichten oft nur oberflächlich darüber, welche Gesetzgebung die Beste ist. Die Profiteure des Systems haben noch einen sehr großen Einfluss und sind weiterhin mit ihren Verharmlosungen der Prostitution sehr erfolgreich, sodass sich weiterhin viele PolitikerInnen davon beeinflussen lassen haben. Es ist erstaunlich, dass gerade die Parteien des linken Spektrums (SPD, Grüne und Linke), die ja Kapitalismuskritik und Frauenrechte hochhalten, mehrheitlich Prostitution weiterhin als Arbeitsoption betrachten und unreflektiert die Mythen über Prostitution repetieren und so gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die zulassen, dass Frauen zur Billigware degradiert und sexuell ausgebeutet werden.

In diesem Text will ich diese Lügen entlarven und alle Menschen dazu auffordern einen Weg einzuschlagen, der sexuelle Gewalt nicht mehr als sexuelle Dienstleistung betrachtet. Denn solange Sexkauf legal ist, bleibt diese Form der sexuellen Gewalt gegen Frauen straflos.

Von Dr. Ingeborg Kraus, Karlsruhe, den 12.7.2021.

Hier auch den Text als PDF-Datei: Das nordische Modell-pdf-1 Weiterlesen

Nie wieder Prostitution!

­­­­­Ein Text von Sandra Norak und Dr. Ingeborg Kraus. 18.09.2018.

Als Aktivistinnen gegen das System Prostitution haben wir uns durch die für den Prix Europa 2018 nominierte ZDFinfo Dokumentation „Bordell Deutschland – Milliardengeschäft Prostitution“ kenneng­­elernt, in der wir beide als Expertinnen zum Thema mitwirkten. Sandra Norak als Loverboy-Opfer, Aussteigerin von 6 Jahren Prostitution und angehende Juristin. Dr. Ingeborg Kraus als Diplompsychologin und Traumatherapeutin. In diesem gemeinsamen Text möchten wir unsere Erfahrungen und Perspektiven vereinen.

Manchmal erscheint ein Weg für uns sehr lang, manchmal zu lang, so dass wir glauben, dass wir nicht genug Kraft haben und es nicht schaffen, ihn zu Ende gehen zu können. Der Ausstieg aus der Prostitution und damit aus einem Milieu, das meist den Körper und die Seele dieses Menschen zerstört hat, ist ein ganz besonders langer und schmerzhafter Weg, der manchmal kein Ende zu nehmen scheint und auf dem man Hürden begegnet, die sich zunächst als unüberwindbar darstellen.

Immer wieder hören und lesen wir von Aussteigerinnen, die mit den Gedanken ringen wieder in die Prostitution einzusteigen oder letztlich wirklich zurückgehen, obwohl sie ihre bereits gemachte Prostitutionserfahrung als traumatisierend ansehen und Prostitution als Gewalt bezeichnen. Dieses Verhalten stößt bei vielen Außenstehenden auf Unverständnis.

Wir möchten mit unserem Text über die Schwierigkeiten des Ausstiegs aus der Prostitution aufklären und zugleich Frauen während des Ausstiegs sowie danach Mut machen.

Wenn in unserer Gesellschaft über Prostitution gesprochen wird, so hat sich durch das ProstG aus dem Jahr 2002 bei vielen die Vorstellung eingeprägt, dass sie ein Job wie jeder andere ist. Prostitution aber hinterlässt tiefe Narben an Körper und Seele. Der Ausstieg ist nicht vergleichbar mit einem einfachen Jobwechsel. Einmal in diesem Prostitutionssystem gefangen, kommen Betroffene oft nur schwer bis gar nicht mehr raus. Weiterlesen

Die Geschichte von Liliam Altuntas – Betroffene von Kinderhandel

Liliam Altuntas hat lange auf diesen Tag gewartet: Sie wollte in Deutschland in der Öffentlichkeit sprechen, sie wollte ihre Geschichte erzählen um zu sagen was ihr in diesem Land Wiederfahren ist. Sie wollte in der Sprache ihrer Täter sprechen: Auf Deutsch. Deutschland verließ sie schon vor Jahren, sie bemühte sich aber die Sprache nicht zu vergessen um eines Tages darüber zu sprechen, was ihr in Deutschland angetan wurde, was ihr hier gestohlen wurde.

Im anliegenden Video dürfen wir Liliam Altuntas sprechen hören. Einen ganz großen Dank an Sandra Norak, die dies ermöglichte.

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Wissenschaftliche Studien zu Gewalt, Traumafolgestörungen und Vor-Traumatisierungen bei Menschen in der Prostitution

Ein Text von Ingeborg Kraus, Karlsruhe, den 19.8.2020. Hier der Text als PDF-Format: Prostitution- Ein Krieg gegen Frauen-pdf1

Einführung: In letzter Zeit werden wieder Texte von Prostitutions-Befürwortern veröffentlicht, die Prostitution als Job wie jeden anderen darstellen und traumatische Folgen bestreiten. Das kann vielleicht für diejenigen auch so sein. Sie stellen aber nur eine kleine Minderheit dar und üben Prostitution oft mit körperlichem Abstand aus, meistens in Domina Studios. Hier habe ich ein paar Studien zusammengefasst, die auf ganz andere Schlussfolgerungen kommen. Es gibt noch viel mehr Studien die immer auf die gleichen Zahlen kommen: Prostitution ist gefährlicher als in den Krieg zu ziehen! Wir müssen daraus ableiten, dass Prostitution ein Krieg ist, der sich auf den Frauenkörpern austrägt.

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Prostitution kann nicht als ein Job wie jeder andere betrachtet werden, da sie traumatisierend ist. Zahlreiche Studien haben belegt, dass das Risiko in der Prostitution eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln höher liegt als im Krieg zu sein. Weiterlesen

Offener Brief an die EKD & die Diakonie Baden

Offener Brief an die Evangelische Kirche in Deutschland, die Diakonie Baden und den Dekan der evangelischen Kirche Karlsruhe.

Karlsruhe, den 29.01.2021. Hier der Brief in PDF-Format: Offener Brief an die Diakonie-pdf2

Sehr geehrte Mitglieder des Rates der EKD, Sehr geehrte Mitglieder des Aufsichtsrates der Diakonie Baden, Sehr geehrter Herr Dekan Dr. Thomas Schalla,

vom 25.11. bis 10.12.2020 fand auch in Karlsruhe die weltweite Kampagne „Nein zu Gewalt an Frauen“ statt. Viele Gebäude wurden in Orange beleuchtet. So sollte das Problem von den Bürgern und Bürgerinnen stärker wahrgenommen werden. Zugleich riefen Gleichstellungsbeauftragte auf nicht weg zu schauen.[1]

Mit Erschütterung musste ich im Januar erfahren, dass das Diakonische Werk Karlsruhe in dieser Zeit eine Kooperation mit vielen Bordellbetreibern der Stadt Karlsruhe und Umgebung getroffen hat!

Mit diesem Schreiben fordere ich die Diakonie Baden auf, sich von diesen Kooperationen komplett und öffentlich zu distanzieren. Es soll auch überprüft werden, ob die Leitung der Diakonie Karlsruhe unter Herrn Stoll, den Zielen und den Bemühungen der Stadt Karlsruhe, sowie den vielen Organisationen, AktivistInnen und engagierte Bürgerinnen im Kampf gegen Gewalt an Frauen noch gerecht wird. Desweiteren fordere ich die Diakonie Baden auf, ihre Haltung zu Prostitution zu ändern, genauso wie es die Evangelische Kirche in Heidelberg getan hat. Hier ein Auszug aus ihrer Stellungnahme[2]dazu:

  • Prostitution entspringt immer einer Notsituation und ist somit nie freiwillig.
  • Prostitution bedeutet Abhängigkeit.
  • Prostitution macht körperlich und psychisch krank und ist deshalb eine Form der Körperverletzung.
  • Prostitution verletzt die Menschenwürde. 

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Die Masche der Loverboy-Menschenhändler

Eine sehr gute ZDF-Reportage über Loverboy-Menschenhändler ist seit 18.8.2020 in der Mediathek des ZDF zu finden. Die Perfide Strategie der Täter wird hier gut dargestellt sowie das Leid der Opfer, die in der Scham, Selbstvorwürfen, Angst und Trauma gefangen gehalten bleiben. Hut ab an Sandra Norak, die unermüdlich gegen das System Prostitution kämpft, ein System der Gewalt, das die Politik mit ihrer liberalen Gesetzgebung, in dieser Form erst ermöglicht und fördert.

Hier der Link zur Reportage: https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-verratene-liebe-102.html

Tattoos in der Prostitution als Eigentumsstempel der Zuhälter

Ein Text von Sandra Norak – 02.06.2020

Heute ist „Internationaler Hurentag“ – und es ist in den Medien heute sowie auch die letzte Zeit einiges an „Pro-Sexarbeit“ und Verharmlosungen zu lesen. Ich finde das traurig, deshalb schreibe ich hier nun ein paar persönliche Zeilen, um an die vielen Frauen da draußen zu erinnern, die in der Prostitution immense Ausmaße an Leid und (sexueller) Gewalt erleben.

Ich war lange in der Prostitution. Jahre.

Prostitution ist oft wie Sklaverei.

Ich bin gezeichnet. Bis heute. Über dieses Thema spreche ich nicht so gerne.

Das Tattoo, den Eigentumsstempel meines Zuhälters, der mich als sein Eigentum markieren sollte, trage ich bis heute auf dem Rücken. Es ist ein Drache, ein keltisches Kreuz und ein Totenkopf. Mein Zuhälter bestimmte das Tattoo, er war beim Stechen mit dabei, um die Kontrolle darüber zu haben. Üblich ist es auch oft, dass die Betroffenen einen Barcode oder den Namen des Zuhälters als Eigentumsstempel tätowiert bekommen.

Der Drache war sein „Markenzeichen“. Schon als ich meinen Zuhälter im Chat damals kennenlernte, war der “Drache“ Inhalt seines Chat-Namens. Ich kann mich erinnern wie er zu dem Tätowierer am Ende noch grinsend sagte, dass er den Totenkopf noch in die Mitte einfügen sollte. Der Tätowierer war scheinbar eingeweiht, ansonsten hätte er mich wohl auch mal gefragt, was ich eigentlich auf meinem Rücken haben möchte, was er aber erst gar nicht tat. Er stach mir auf den Rücken, was mein Zuhälter dirigierte.

Ein Eigentumsstempel, ob in Barcodes, Namen oder Zeichen ist im Milieu an der Tagesordnung. Er sagt:

„Du gehörst mir, du bist mein Eigentum, für immer.“ Weiterlesen

Forderung nach Leitlinien zum einheitlichen Vorgehen bezüglich Prostitution angesichts der Corona-Epidemie in Deutschland

Sandra Norak und Ingeborg Kraus haben Forderungen nach Leitlinien zum einheitlichen Vorgehen bezüglich Prostitution während der Corona-Pandemie geschrieben. Dieser Brief ist an die Kanzlerin und alle Ministerpräsidenten adressiert. Sie können diesen Brief auch verwenden und ihn an Ihre PolitikerInnen weiterleiten oder Forderungen stellen, die sich an diesen Leitlinien angliedern. Hier der Brief als pdf: Forderung nach Leitlinien zum einheitlichen Vorgehen bezüglich Prostitution angesichts der Corona-Epidemie

Corona fordert uns alle auf über gewohnte Systeme nachzudenken. Es wäre schade, wenn die Politik nach dieser Krise nichts daraus lernt und zu seinem System zurückkehrt, das die Probleme verursacht hat. Corona kann eine Chance für einen menschlichen Fortschritt sein.

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Karlsruhe, den 15.04.2020

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel,

sehr geehrter Herr Laschet, sehr geehrter Herr Söder, sehr geehrter Herr Kretschmann, sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrter Herr Woidke, sehr geehrter Herr Bovenschulte, sehr geehrter Herr Tschentscher, sehr geehrter Herr Bouffier, sehr geehrte Frau Schwesig, sehr geehrte Frau Dreyer, sehr geehrter Herr Weil, sehr geehrter Herr Hans, sehr geehrter Herr Kretschmer, sehr geehrter Herr Haseloff, sehr geehrter Herr Günther, sehr geehrter Herr Ramelow,

mit diesem Brief richten wir einen Appell und eine Bitte an Sie alle jetzt in der Corona-Pandemie notwendige Leitlinien und einen Richtungswechsel in der deutschen Prostitutionspolitik zum Schutz der betroffenen Menschen gemeinsam mit Bund und Ländern anzustoßen und zu vollziehen. Weiterlesen

Dissoziation in der Prostitution

Was passiert mit einem Menschen, der permanent sexuell missbraucht wird? Dissoziation ist etwas, das man nicht sieht und Menschen verstehen oft nicht was sie nicht sehen, sagt Sandra Norak. Die Dissoziation ist eine Reaktion, die man weder während, noch nach der traumatischen Situation sieht. Deswegen wird sie oft nicht verstanden, was folglich auch die Gewalt in der Prostitution verschleiert. Man denkt, dass keine Gewalt stattfindet, wenn eine Frau währenddessen nicht weint oder laut schreit. Aber die schlimmsten Gewalttaten können im stillen passieren und bleiben deshalb oft unsichtbar für andere.

Im nachfolgenden Text, der in der Fachzeitschrift Dignity veröffentlicht wurde, beschreibt Sandra Norak ihre Erfahrungen mit Dissoziation in der Prostitution, ihre langfristigen Folgen und wie sie durch die Arbeit mit Pferden diesen verselbstständigten Mechanismus auflösen konnte: Loss of Self in dissociation in prostitution. Und hier der gefilmte Vortrag in Washington.