Archiv der Kategorie: Wissenschaftliche Texte

Brief an Bundesministerin Paus zum Weltfrauentag

Hier der Brief als pdf:  Brief an Bundesministerin Paus-2-pdf

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Paus,

diese Woche haben wir den internationalen Frauentag gefeiert. Ein Tag an dem das Augenmerk auf die Situation der Frauen gerichtet ist und PolitikerInnen sich rückblickend fragen sollten, ob genug, insbesondere für den Schutz der Frauen vor Gewalt, getan wurde.

In Deutschland haben wir immer noch ein Gesetz zu Prostitution, das eindeutig Frauen vor Gewalt nicht schützt, sondern ganz im Gegenteil, sehr täterfreundlich ist und Frauen in der Prostitution vielseitigen Formen der Gewalt machtlos ausliefert.

In vielen Bereichen machen wir große Fortschritte, insbesondere die Grünen zeigen sich sehr innovativ und bereit neue Wege zu gehen. In der Außenpolitik haben wir jetzt Leitlinien zu einer feministischen Außenpolitik. Es ist keine Revolution, so wie es zurecht Annalena Baerbock sagt, sondern eine Selbstverständlichkeit[1]. Es ist die Umsetzung des Gleichheits- und Gleichberechtigungsgrundsatzes unseres Grundgesetzes sowie der Menschenrechte, denen wir uns verpflichtet haben.

Ich frage mich, warum sich gerade in der Gesetzgebung zu Prostitution nichts in diesem Sinne ändert? Ein Gesetz, das Frauen zum käuflichen Geschlecht degradiert, sexuelle Gewalt als Dienstleistung verschleiert, Deutschland zum Bordell Europas gemacht hat und dem Menschenhandel Tür und Tor geöffnet hat. Ein Gesetz, das sogar mit den Grünen federführend eingeführt wurde. Weiterlesen

Menschenhandel und Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht

Ein Text von Dr. Ingeborg Kraus, Karlsruhe, den 06.06.2022. 

Hier auch als PDF: Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht-1-pdf

Inhalt:

  • Seite 2: Einführung
  • Seite 3: Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht
  • Seite 4: Studien zur Prävalenz von PTBS bei Menschen in der Prostitution
  • Seite 9: Klinische Beispiele:
    • Körper und Geist müssen in der Prostitution ausgeschaltet werden
    • Jeder Freier ist traumatisierend
    • Dissoziation und Trauma-Gedächtnis. Die traumatischen Folgen erscheinen oft viel später.
    • Vortraumatisierungen als Einstieg in die Prostitution
    • Wir haben uns zu Mittätern gemacht und das erschwert einen Heilungsprozess für die Opfer
  • Seite 13: Viele haben ein falsches Bild von Menschenhandel-Opfer zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. Trauma-Bindungen und Traumafolgen halten die Frauen in der Zwangsprostitution.
  • Seite 15: Durch legalen Sexkauf steigt die Gewalt gegen Frauen gesamtgesellschaftlich
  • Seite 17: Schlussfolgerungen und politische Forderungen
  • Seite 18: Über die Autorin
  • Seite 19 bis 24: UnterzeichnerInnen des Appells für eine Welt ohne Prostitution

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Stoppt den Anti-Feminismus der Grünen Frauen!

Von Dr. Ingeborg Kraus,

am 24. September 2022 auf der Demonstration der Radikalfeministinnen in Berlin.

Ich bin seit über 20 Jahren Mitglied der Grünen Partei. Eine Partei, die als einzige einen Frauenstatut hat, was bedeutet, dass alle Ämter und Mandate mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen sind. Mindestens jeder zweite Redebeitrag ist für Frauen vorbehalten und sie haben Recht auf mindestens die Hälfte der Redezeit. Es gibt ein Frauenrat, der über die Richtlinien der Frauenpolitik beschließt und den Bundesvorstand berät. Jährlich gibt es eine Bundesfrauenkonferenz, wo die Politik unter dem Aspekt der Frauenförderung debattiert wird.

Mit diesem Frauenstatut waren die Grünen extrem Fortschrittlich und haben sich die Rechtliche Gleichstellung der Frauen in allen Bereichen auf die Fahne geschrieben. Die Grüne Partei ist auch aus einer radikalen Frauenbewegung heraus entstanden. Ihre Beharrlichkeit Frauen in der Politik zu fördern, hat sich auf jeden Fall gelohnt: Insgesamt sind im Bundestag nur 34,8% Frauen vertreten, die Frauenquote bei den Grünen macht aber 59,3% aus, im Gegensatz zur CDU/CSU, die nur 23,4% Frauenanteil im Bundestag aufweisen kann.

Euch Grünen Frauen haben wir zu verdanken, dass Vergewaltigung in der Ehe heute eine Straftat ist, dass LGBT Mainstream wurde, dass das konservative Familienbild ins Wanken gekommen ist, dass die Frauenquote nun auch andere Parteien einführen, etc.

Aber von diesem Weg der konsequenten Frauenförderung seit ihr immer wieder abgekommen. Die neue Generation von Grünen Frauen profitiert von dem Radikalismus der Grünen Frauen der ersten Generation, sie betreiben aber keine Politik, die Frauen gesamtgesellschaftlich fördert. Viele Aspekte Eurer Frauenpolitik hilft euch zwar persönlich gewisse Ämter innerhalb der Partei zu ergattern, sie schadet aber massiv vielen Frauen außerhalb der Partei.

Heute würden die Grünen Frauen der ersten Generation hier an dieser Stelle stehen, an der Seite von Radikal Feministinnen und würden gegen eine Politik protestieren, die sexuelle Gewalt gegen Frauen fördert, ihre Errungenschaften in der Gleichstellung gefährdet und ihnen keine Schutzräume mehr garantiert. Heute würden Frauen wie Petra Kelly hier stehen und demonstrieren und sagen: „Ihr habt uns verraten!“ Weiterlesen

Das Nordische Modell zu Prostitution – Ein Perspektivwechsel zum Schutz der Menschenwürde


Corona hat sichtbar gemacht, was Prostitution ist und wohin sie die Frauen führt: und zwar ins NICHTS! Viele prostituierte Frauen sind von einem Tag auf den anderen mittellos und obdachlos geworden, da sie keinen Wohnsitz hatten, sondern nur im Bordell wohnten. Die Mehrheit wurde von ihren Zuhältern in die Heimat zurückgeführt.

16 Bundestagsabgeordnete[1] von CDU und SPD haben sich Mitte Mai öffentlich für das Nordische Modell positioniert und kritisieren den liberalen Weg, den Deutschland mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 und dem Prostituiertenschutzgesetz von 2017 eingeschlagen hat. Immer mehr wird in der Politik darüber debattiert, aber Medien berichten oft nur oberflächlich darüber, welche Gesetzgebung die Beste ist. Die Profiteure des Systems haben noch einen sehr großen Einfluss und sind weiterhin mit ihren Verharmlosungen der Prostitution sehr erfolgreich, sodass sich weiterhin viele PolitikerInnen davon beeinflussen lassen haben. Es ist erstaunlich, dass gerade die Parteien des linken Spektrums (SPD, Grüne und Linke), die ja Kapitalismuskritik und Frauenrechte hochhalten, mehrheitlich Prostitution weiterhin als Arbeitsoption betrachten und unreflektiert die Mythen über Prostitution repetieren und so gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die zulassen, dass Frauen zur Billigware degradiert und sexuell ausgebeutet werden.

In diesem Text will ich diese Lügen entlarven und alle Menschen dazu auffordern einen Weg einzuschlagen, der sexuelle Gewalt nicht mehr als sexuelle Dienstleistung betrachtet. Denn solange Sexkauf legal ist, bleibt diese Form der sexuellen Gewalt gegen Frauen straflos.

Von Dr. Ingeborg Kraus, Karlsruhe, den 12.7.2021.

Hier auch den Text als PDF-Datei: Das nordische Modell-pdf-1 Weiterlesen

Pressemitteilung zum Weltfrauentag

Seit Beginn Putins Krieg in der Ukraine sind über eine Millionen Menschen auf der Flucht. Frauen und Kinder sind oft auf sich allein gestellt, weil die Ukraine alle Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren für den Kriegsdienst mobilisiert hat.

„Es ist traurig, aber leider nicht neu», sagt Irene Hirzel vom Beratungs- und Schulungs-zentrum gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung «ACT212». „Menschenhandel sei ein grosses Business, das von Kriegen befeuert werde. Wenn Menschen fliehen müssen, sind sie in einer vulnerablen Situation und werden Ziel von Schleppern. Diese wollen Geld verdienen und interessieren sich nicht für die Menschen, nur für den Gewinn“, so Hirzel.

„Am Tag der Invasion sind die Google-Suchen nach «Ukrainian girls» massiv angestiegen und bleiben seither hoch. Das gleiche Phänomen ist laut Hirzel auf Pornoseiten zu beobachten. Fälle von Ukrainerinnen, die in die Fänge von Menschenhändlern gerieten, seien schon nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 gemeldet worden.“

Die Menschenhändler befriedigen damit die Nachfrage von Sexkäufern, die in Deutschland seit der Liberalisierung der Prostitution explodiert ist. Die deutsche Regierung verurteilt geschlossen und zurecht Putins Krieg in der Ukraine, sie bleibt jedoch einer Gesetzgebung gegenüber blind, die der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern in Deutschland Tür und Tor geöffnet hat. So kann die Flucht vor Putins Krieg für manche Ukrainerinnen zum Albtraum in Deutschland werden.

Deshalb fordern wir ein Sexkaufverbot nach Nordischen Modell jetzt! Weiterlesen

Therapie und Arbeit mit Sexkäufern

©Ein Vortrag von Dr. Ingeborg Kraus, am 11. November 2021 in Selb im Rahmen der internationalen Konferenz zu Zwangsprostitution und Menschenhandel.

Hier auch als PDF: Therapie und Arbeit mit Sexkäufern

 Karlsruhe, den 13.02.2022. 

Therapie und Arbeit mit Sexkäufern / Freiern / Prostitueurs

Inhaltsübersicht:

1. Der Freier: Eine soziale Konstruktion.
2. Studien über Sexkäufer.
–  Claudine Legardinier und Said Bouamama.

– Melissa Farley: Komparative Studie zwischen Sexkäufer und Männern, die keine Sexkäufer sind.
– Schwedischer Soziologe Mansson: Prostitution als Spiegel gesellschaftlicher Werte.
– Prostitution bringt auch Männer nicht weiter.
3. Mythos des netten Freiers.
4. Abspaltung und Gleichgültigkeit.
5. Sexkäufer in Freierforen.
6. Was macht es mit einer Gesellschaft?
– Sexkauf ist normalisiert. Eine Generation von Sexkäufer wird in Deutschland herangezogen.
– Sexuelle Gewalt erhöht sich dadurch im Allgemeinen in der Gesellschaft.
– Schattenfrauen
7. Therapeutische Erfahrungen mit Sexkäufern.
8. Was hat in der Therapie geholfen?
9. Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.
10. Eine Schule für Sexkäufer: Frankreich als Beispiel.
11. Ausblick: Was muss dringend geschehen?

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Nie wieder Prostitution!

­­­­­Ein Text von Sandra Norak und Dr. Ingeborg Kraus. 18.09.2018.

Als Aktivistinnen gegen das System Prostitution haben wir uns durch die für den Prix Europa 2018 nominierte ZDFinfo Dokumentation „Bordell Deutschland – Milliardengeschäft Prostitution“ kenneng­­elernt, in der wir beide als Expertinnen zum Thema mitwirkten. Sandra Norak als Loverboy-Opfer, Aussteigerin von 6 Jahren Prostitution und angehende Juristin. Dr. Ingeborg Kraus als Diplompsychologin und Traumatherapeutin. In diesem gemeinsamen Text möchten wir unsere Erfahrungen und Perspektiven vereinen.

Manchmal erscheint ein Weg für uns sehr lang, manchmal zu lang, so dass wir glauben, dass wir nicht genug Kraft haben und es nicht schaffen, ihn zu Ende gehen zu können. Der Ausstieg aus der Prostitution und damit aus einem Milieu, das meist den Körper und die Seele dieses Menschen zerstört hat, ist ein ganz besonders langer und schmerzhafter Weg, der manchmal kein Ende zu nehmen scheint und auf dem man Hürden begegnet, die sich zunächst als unüberwindbar darstellen.

Immer wieder hören und lesen wir von Aussteigerinnen, die mit den Gedanken ringen wieder in die Prostitution einzusteigen oder letztlich wirklich zurückgehen, obwohl sie ihre bereits gemachte Prostitutionserfahrung als traumatisierend ansehen und Prostitution als Gewalt bezeichnen. Dieses Verhalten stößt bei vielen Außenstehenden auf Unverständnis.

Wir möchten mit unserem Text über die Schwierigkeiten des Ausstiegs aus der Prostitution aufklären und zugleich Frauen während des Ausstiegs sowie danach Mut machen.

Wenn in unserer Gesellschaft über Prostitution gesprochen wird, so hat sich durch das ProstG aus dem Jahr 2002 bei vielen die Vorstellung eingeprägt, dass sie ein Job wie jeder andere ist. Prostitution aber hinterlässt tiefe Narben an Körper und Seele. Der Ausstieg ist nicht vergleichbar mit einem einfachen Jobwechsel. Einmal in diesem Prostitutionssystem gefangen, kommen Betroffene oft nur schwer bis gar nicht mehr raus. Weiterlesen

Die Geschichte von Liliam Altuntas – Betroffene von Kinderhandel

Liliam Altuntas hat lange auf diesen Tag gewartet: Sie wollte in Deutschland in der Öffentlichkeit sprechen, sie wollte ihre Geschichte erzählen um zu sagen was ihr in diesem Land Wiederfahren ist. Sie wollte in der Sprache ihrer Täter sprechen: Auf Deutsch. Deutschland verließ sie schon vor Jahren, sie bemühte sich aber die Sprache nicht zu vergessen um eines Tages darüber zu sprechen, was ihr in Deutschland angetan wurde, was ihr hier gestohlen wurde.

Im anliegenden Video dürfen wir Liliam Altuntas sprechen hören. Einen ganz großen Dank an Sandra Norak, die dies ermöglichte.

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Wissenschaftliche Studien zu Gewalt, Traumafolgestörungen und Vor-Traumatisierungen bei Menschen in der Prostitution

Ein Text von Ingeborg Kraus, Karlsruhe, den 19.8.2020. Hier der Text als PDF-Format: Prostitution- Ein Krieg gegen Frauen-pdf1

Einführung: In letzter Zeit werden wieder Texte von Prostitutions-Befürwortern veröffentlicht, die Prostitution als Job wie jeden anderen darstellen und traumatische Folgen bestreiten. Das kann vielleicht für diejenigen auch so sein. Sie stellen aber nur eine kleine Minderheit dar und üben Prostitution oft mit körperlichem Abstand aus, meistens in Domina Studios. Hier habe ich ein paar Studien zusammengefasst, die auf ganz andere Schlussfolgerungen kommen. Es gibt noch viel mehr Studien die immer auf die gleichen Zahlen kommen: Prostitution ist gefährlicher als in den Krieg zu ziehen! Wir müssen daraus ableiten, dass Prostitution ein Krieg ist, der sich auf den Frauenkörpern austrägt.

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Prostitution kann nicht als ein Job wie jeder andere betrachtet werden, da sie traumatisierend ist. Zahlreiche Studien haben belegt, dass das Risiko in der Prostitution eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln höher liegt als im Krieg zu sein. Weiterlesen

Offener Brief an die EKD & die Diakonie Baden

Offener Brief an die Evangelische Kirche in Deutschland, die Diakonie Baden und den Dekan der evangelischen Kirche Karlsruhe.

Karlsruhe, den 29.01.2021. Hier der Brief in PDF-Format: Offener Brief an die Diakonie-pdf2

Sehr geehrte Mitglieder des Rates der EKD, Sehr geehrte Mitglieder des Aufsichtsrates der Diakonie Baden, Sehr geehrter Herr Dekan Dr. Thomas Schalla,

vom 25.11. bis 10.12.2020 fand auch in Karlsruhe die weltweite Kampagne „Nein zu Gewalt an Frauen“ statt. Viele Gebäude wurden in Orange beleuchtet. So sollte das Problem von den Bürgern und Bürgerinnen stärker wahrgenommen werden. Zugleich riefen Gleichstellungsbeauftragte auf nicht weg zu schauen.[1]

Mit Erschütterung musste ich im Januar erfahren, dass das Diakonische Werk Karlsruhe in dieser Zeit eine Kooperation mit vielen Bordellbetreibern der Stadt Karlsruhe und Umgebung getroffen hat!

Mit diesem Schreiben fordere ich die Diakonie Baden auf, sich von diesen Kooperationen komplett und öffentlich zu distanzieren. Es soll auch überprüft werden, ob die Leitung der Diakonie Karlsruhe unter Herrn Stoll, den Zielen und den Bemühungen der Stadt Karlsruhe, sowie den vielen Organisationen, AktivistInnen und engagierte Bürgerinnen im Kampf gegen Gewalt an Frauen noch gerecht wird. Desweiteren fordere ich die Diakonie Baden auf, ihre Haltung zu Prostitution zu ändern, genauso wie es die Evangelische Kirche in Heidelberg getan hat. Hier ein Auszug aus ihrer Stellungnahme[2]dazu:

  • Prostitution entspringt immer einer Notsituation und ist somit nie freiwillig.
  • Prostitution bedeutet Abhängigkeit.
  • Prostitution macht körperlich und psychisch krank und ist deshalb eine Form der Körperverletzung.
  • Prostitution verletzt die Menschenwürde. 

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