Liebe Männer, wir müssen reden!

Ich freue mich sehr ein neues Buch gegen Sexkauf vorzustellen, für das ich das Vorwort schreiben durfte. Gisela Jaspersen informiert in ihrem Buch über die historische Einordnung von Prostitution, die verschiedenen Facette der negativen Seiten des Prostitionsgeschäfts und regt eine Neuorientierung in Bezug auf die heutigen Männerbilder an. Die Autorin möchte mit ihrem Buch in erster Linie die Männer erreichen, die als heterosexuelle Freier aktiv sind und sexuelle Leistungen von Mädchen und Frauen kaufen. Zugleich ist das Buch aber auch eine gute Zusammenstellung für Partnerinnen, Elternteile oder Jugendliche, die grundlegendes Wissen über Prostitution in Deutschland erfahren möchten. 

Hier mein Vorwort als Anregung zum Lesen:

Wir tun alle so, als wäre die Gleichstellung zwischen Mann und Frau schon erreicht, und wir müssten nur noch an Feinheiten schleifen. Natürlich ist eine gesetzliche Quote und Lohngleichheit wichtig. Es gibt aber eine Enklave in unserem Land, in der Frauen von allen frauenrechtlichen Errungenschaften ausge- schlossen sind: die Prostitution.

Die Politik behandelt Prostitution nur als Randthema, und eine liberale Gesellschaft will sich da nicht einmischen. „Jede/r soll so leben, wie sie/er es für richtig hält!“, bekommt man oft zu hören. Das Thema wird nicht tiefer reflektiert und analysiert.

Wir kennen sie alle, diese Gespräche unter Bekannten, in denen Prostitution schnell bagatellisiert und als Kavaliersdelikt verharmlost wird. Oft wird geschmunzelt, wenn aber Prostitution kritisiert wird, gibt es sehr schnell erheblichen Widerstand. Ich selbst kann mich an sehr viele solcher Gespräche erinnern. Ein Beispiel dazu: als ich als therapeutische Leiterin in einer Suchtfachklinik für Männer arbeitete, fielen mir nicht nur die pornografischen Poster in der Einrichtung auf, sondern auch, dass die Patienten am Wochenende mit der größten Selbstverständlichkeit in ein Bordell gingen. Als ich dies ansprach, musste ich bitter feststellen, dass die Einrichtung, die sich der männlichen Gesundheit widmete, das Ausleben männlicher Sexualität als wichtigeren Gesundheitsfaktor ansah als die Gewalt gegen Frauen durch Prostitution. Man kann aber nicht die eigene Gesundheit auf Kosten der Gesundheit anderer ausspielen. Man kann nicht die eigene Lust auf Kosten der anderen ausleben. Das geht so nicht!

Und mit der Gleichstellung der Geschlechter ist dieses Verhalten schon gar nicht zu vereinbaren. Deswegen ist der Titel von der Autorin auch treffend gewählt: „Liebe Männer, wir müssen reden!“

Gisela Jaspersen klärt darüber auf, was Prostitution mit einer Frau macht, wie Frauen sich als Prostituierte fühlen, und sie räumt mit dem Mythos der freiwilligen Prostitution auf. Sie kennt die psychische, physische und sexuelle Gewalt, die von Männern ausgehen kann, da sie 40 Jahre lang eine psychotherapeutische Praxis in Hamburg geführt hat und Zeugin von vielen Frauen- biografien geworden ist. Wenn Gewaltsysteme aufrechterhalten werden, können Opfer durch das gesellschaftliche Schweigen vorhandene Traumata kaum verarbeiten.

-zig Tausende Männer gehen jeden Tag heimlich zu Prostituierten. Die meisten von ihnen leben laut Studien in festen heterosexuellen, nicht explizit sexuell offenen Beziehungen. Die Zahl der betrogenen und bei Aufdeckung entsprechend seelisch verletzten Partnerinnen ist sicherlich nicht gering. Die Autorin will mit diesem Buch auch sie ermutigen, das Schweigen zu brechen.

Gisela Jaspersen klagt nicht nur an, sie beschreibt auch Lösungsansätze: und zwar die Einführung eines Sexkauf-Verbots. Natürlich wird Prostitution damit nicht aufgelöst, es ist aber wichtig, wie ein Staat dazu steht. Es muss ein Unrechtsbewusstsein geschaffen werden, Mädchen und Frauen müssen geschützt werden.

Dieses Buch umfasst viele Bereiche, für die man mehrere Bücher über Prostitution lesen müsste. Aufklärung zur Thematik ist ein ganz wichtiger Aspekt im sogenannten „Nordischen Modell“, für das wir beide ˗ und mittlerweile ganz viele aus unserer Berufsgruppe ˗ eintreten.

Gisela Jaspersen will Lesungen veranstalten, in Schulen gehen und mit der heranwachsenden Generation sprechen über das, was wichtig ist im Leben: Gefühle, Wärme, Zusammenhalt, Beziehungen, menschliche Nähe, Gewaltlosigkeit…

In diesem wichtigen Vorhaben möchte ich meine Kollegin unterstützen!

Dr. phil. Ingeborg Kraus

Karlsruhe, den 12.11.2017

Das Buch ist bei Marta Presse zu erhalten: http://www.marta-press.de/cms/verlagsprogramm-sachbuch/jaspersen-sexkauf

2 Gedanken zu „Liebe Männer, wir müssen reden!

  1. Ardalan Ibrahim

    Hallo liebe Dr. Kraus,

    ich teile das Anliegen eines Sexkaufverbots zu 100%. Zudem gehöre ich zu den Männern, die tatsächlich noch nie die „Dienstleistung“ von sich prostitutierenden Menschen in Anspruch genommen haben.

    Gerade weil ich – aus sehr egoistischen Gründne – fundamentale Fortschritte und Wandel im Geschlechterverhältnisse erleben will, denke ich aber, dass die Ansprache von Männern anders aussehen muss, als in diesem Vorwort (und vielleicht auch im Buch) beschrieben. Mir ist die Perspektive viel zu wenig von einem tieferen Verstehen gehalten, wie die Sozialisation von Jungen auch heute noch abläuft und welche psychologischen Folgen sie hat.

    Wenn wir wirklich wollen, dass es ein „End Demand“ gibt, darf es nicht beim Sexkaufverbot allein bleiben (so notwendig es aus einem unmittelbaren Opferschutz heraus ist), wir müssen zusätzlich auch hinterfragen, wie die Männerbilder und Männerimperative in unserer Gesellschaft nach wie vor aussehen.

    Für mich sehr erhellend waren dabei die beiden Bücher des Bielefelder Männertherapeuten Björn Süfke. Ich denke, dass Prostitutionsproblem und die gesellschaftlich geduldete Traumatisierung von Frauen, Männern und kindern durch sexuelle Übergriffe bleibt ungelöst, wenn wir uns Jungen und Männern nicht in einer empathischeren und nicht rein appellativen Form zuwenden.

    Denn hinter dem Traumatisierungs-Verhalten von Männern steckt m.E. die Traumatisiertheit von Männern selbt. Männer, die die üblichen Traumatisierungsprozesse, die in unserer Gesellschaft für „normal“ oder sogar „erstrebenswert“ gehalten werden, geben diese Traumatisierungen meist einfach weiter.

    Für mich gehört zu einem Fortschritt beim Thema Prostitution eine Einsicht darin, dass Männer in der Regel selber Opfer von systemischer Gewalt sind. Das soll die Gewalt von uns Männern gegenüber anderen keineswegs relativieren. Es ist für mich nur ein systemischerer und psychologischerer und auch empathischerer Blick auf das Problem.

    Ich denke, Männer brauchen ganz andere Form von Zuwendung als sie in unserer Gesellschaft derzeit bekommen. Das ist, so wie ich es erlebe, keine sonderlich populäre Perspektive. Denn sowohl wir Männer selbst als auch viele Frauen tun sich schwer, die Annahme nicht abzuwehren, dass Männer Opfer sein können. Es scheint sich um eine Art konsensuell geteiltes Tabus zu handeln, dass nach wie vor, trotz aller gesellschaftlicher Fortschritte, ungebrochen ist.

    Ich freue mich über einen konstruktiven Austausch und hoffe, dass meine Zeilen hier nicht als Angriff, sondern als konstruktiver Beitrag erlebt werden können, getragen von der ernsthaften Einsicht, echte Fortschritte in Richtung einer gewaltfreien Gesellschaft zu erreichen.

    Mit herzlichem Gruß, auch mit großer Dankbarkeit für Ihr Engagement und Ihre tägliche Arbeit!
    Ardalan Ibrahim

    1. Ingeborg Kraus Beitragsautor

      Ich gebe ihnen in allem Recht was sie sagen. Es geht aber zuerst einmal darum die Gewalt zu stoppen und ein gesellschaftliches Unrechtsbewusstsein herzustellen. Erst dann ist es möglich eine Therapie mit Freiern und/oder gewalttätigen Männern zu machen. Deswegen ist ein Sexkaufverbot so wichtig, parallel natürlich, ist es wichtig andere Männerbilder zu vermitteln. Aber eine Arbeit an Männerbildern in einem gesellschaftlichen Klima, in dem Männer zur Missachtung und sexuellen Benutzung von Frauen motiviert werden, ist wie ein Tropfen auf einem Heißen Stein. Danke für ihr Interesse und ihrem Engagement! Ingeborg Kraus

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