Zur Realität in der Prostitution und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen

von Dr. Anita Heiliger

Die Existenz von Prostitution vermittelt Männern wie Frauen männliche Dominanz in der Gesellschaft. Männern wird (sexuelle) Verfügbarkeit von Frauen vermittelt und Frauen ihr unterlegener gesellschaftlicher Status. Die Juristin Rahel Gugel formuliert in ihrer Arbeit: „Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II Grundgesetz“: „Die faktischen Auswirkungen des ProstG normalisieren … nicht nur gesamtgesellschaftlich das sexistische und geschlechtshierarchische Frauenbild in Prostitution und Sexindustrie. Vielmehr stützen und zementieren sie auch allgemein eine diskriminierende geschlechtshierarchische Einstellung von Männern gegenüber Frauen in der Bundesrepublik.“
Prostitution an sich ist Gewalt gegen Frauen und stützt und fördert die männliche Herrschaft sowie die kollektive Entwürdigung von Frauen, sie untergräbt die Bemühungen um Gleichberechtigung der Geschlechter. Die folgenden Berichte von Aussteigerinnen zeigen, dass Prostitution kein Sex ist, sondern kommerzialisierte sexuelle Gewalt.

Stimmen zur Realität in der Prostitution
Die dänische Ex-Prostituierte Tanja Rahm, deren „offener Brief an den Sexkäufer“ auch in Deutschland in den Medien veröffentlicht wurde, schreibt darin: „Die Prostituierten sind nur da, weil Männer wie Du einem gesunden und respektvollen Verhältnis zwischen Männern und Frauen im Weg stehen. Die Prostituierten existieren nur, weil Männer wie Du sich berechtigt fühlen, ihre sexuellen Bedürfnisse in den Körperöffnungen anderer Menschen zu befriedigen. Die Prostituierten sind nur da, weil Du und Deine Gleichgesinnten behaupten, dass Eure Sexualität es fordert, ständig Zugang zu Sex zu haben, wann immer es Euch passt. Prostituierte gibt es nur, weil Ihr ein frauenverachtendes Weltbild habt …“.

Prostitution ist nicht das, was uns die BordellbetreiberInnen und die gesamte Sex-Industrie, die die eigentlichen Profite mit der Prostitution machen, glauben machen wollen: Das attraktive Callgirl in gepflegtem Ambiente mit einem gepflegten Mann, der nur eine unverbindliche sexuelle Begegnung sucht, dafür viel bezahlt und sich respektvoll verhält. Von Lust, sexueller Freiheit und Selbstbestimmung, ja Selbstverwirklichung und Empowerment ist von seiten der Prostitutionslobby die Rede. Dieses Bild wird auch von Frauen gestützt, die aktuell in der Prostitution tätig sind, ihr Geld dort verdienen und sich nicht damit auseinandersetzen (wollen oder können), warum sie in der Prostitution sind, warum sie es zulassen, dass fremde Männer in ihren Körper eindringen und wie die Realität für sie wirklich aussieht.

Die deutsche Exprostituierte Marie stieg in die Prostitution ein, als sie Geld brauchte und in Hartz IV abzurutschen drohte – das ist das meiste Motiv: schnell verdientes Geld und jede denkt, das schaff` ich schon. „Ich habe hier in Deutschland ja die Option, mich zu verkaufen. Es ist legal und ich kann mich entscheiden, das zu tun. Die Entscheidung ist also freiwillig. Gleichzeitig zwingen die Umstände aber dazu. Ich kenne keine Frau, die es nicht aus Geldnot gemacht hat. Die zum Beispiel sagen: Wenn die Männer sowieso permanent über einen herfallen wollen, dann können sie auch dafür zahlen. Und wenn man sich erstmal dazu entschieden hat, geht das sehr einfach übers Internet. Es gibt ja viele dieser Plattformen: Kaufmich.com, Poppen.de, dieboerse.de und so weiter. Ich habe einfach ein Profil in einem Forum erstellt, ein paar Bilder hochgeladen und dann haben sich die Männer gemeldet. Es ging also sehr einfach. Zu einfach.“ „Vor dem ersten Date“, berichtet sie weiter, „hatte ich das ..Gefühl …:Ich mache das jetzt ganz für mich! Dann war es aber einfach eklig. Das Hotel war eklig… Der Typ war auch eklig. Den hab ich erstmal zum Duschen geschickt, weil der so verschwitzt war. Dann hab ich das ganz schnell hinter mich gebracht. Es war ganz schrecklich und ich erinnere mich auch nicht mehr an allzu viel. Am deutlichsten daran, wie ich nach Hause gefahren bin und das Geld in der Tasche hatte“.

Heute, Jahre später kämpft sie immer noch mit den Auswirkungen der zweijährigen Prostitution, ist in Therapie und kann keinen Mann an sich mehr heranlassen. Heute weiß auch sie, dass sie die 2 Jahre ertragen konnte, weil sie Gewalt in der Kindheit gewohnt war. Heute bekämpft sie Prostitution und ist eine der ganz wenigen in Deutschland, die bereit sind, öffentlich darüber zu sprechen, was die „freiwillige“ Prostitution mit den Frauen macht.

Die Französin Rosen Hicher verbrachte 22 Jahre in der Prostitution, bevor sie sich der Frage stellte, warum sie in die Prostitution gehen konnte. Sie hatte sich als selbstbestimmt wahrgenommen und viel Geld verdient, sogar ein Buch geschrieben, in dem sie die völlige Liberalisierung der Prostitution forderte . Irgendwann aber fragte sie sich, warum es ihr so leicht fiel, sich zu prostituieren und arbeitete anschließend 10 Jahre lang mit therapeutischer Unterstützung daran, ihre eigene Geschichte aufzudecken: die eines Kindes, dem extreme Gewalt und sexueller Missbrauch angetan worden war. Dass es ihr so leicht gefallen war, sich zu prostituieren, stellte sich auch bei ihr als Folge dessen heraus, dass sie von klein auf Gewalt gewöhnt war. „Ich sage den Frauen…, dass sie einen Moment innehalten und sich die Frage stellen sollen, warum sie in die Prostitution gegangen sind. Sie würden sich dann darüber klar werden, dass sie das tun, weil sie dieses Muster schon sehr früh gelernt haben. Sie müssen damit aufhören, zu sagen, dass es ein Ausdruck von Freiheit ist, sich zu prostituieren. Es ist ein Zwang, ich bezeichne es inzwischen als Krankheit.“ Rosen Hicher ist heute eine starke Vertreterin der Forderung für ein Europa ohne Prostitution.

Die französische Psychiaterin Muriel Salmona zeigt in ihrer Arbeit: „Le livre noir des violences sexuelles“ auf, wie durch Gewalterlebnisse in der Kindheit entsprechende Wahrnehmungen und Gefühle nicht an das Gehirn weiter geleitet werden, um die Situation zu ertragen, um zu überleben. Die Schmerzen und Erniedrigungen werden so nicht gespürt. Die Ex-Prostituierten, die sich zur Zeit in mehreren europäischen Ländern vehement für ein Ende des Sexkaufs einsetzen, berichten ähnliche Verläufe: durch Hilfestellungen von Fachfrauen und in Selbsthilfegruppen erhalten sie langsam Zugang zu ihren Kindheitserfahrungen von Gewalt und Missbrauch und die Gefühle von Angst, Schmerz und Ausgeliefertsein kehren zurück. In diesem Moment können sie die Prostitution nicht mehr fortsetzen, sie empfinden Ekel und Abscheu vor der Realität in der Prostitution: den ständigen Penissen, die in sie eindringen und das Sperma auf ihren Körper, in ihre Gesichter, in all ihre Körperöffnungen spritzen. Sie ertragen den dauernden Spermageruch nicht mehr und spüren die Schmerzen ständiger Penetration und weiterer sexueller Handlungen durch fremde Männer und sie erleben es als Vergewaltigung.

Eine weitere dänische Exprostituierte schrieb nach 6 Jahren Prostitution als „Escort-Dame“ und im Bordell einen offenen Brief an alle Abgeordneten ihres Landes, um sie davon zu überzeugen, „Gesetze zu verabschieden, damit es nicht länger erlaubt ist, dass Männer wie du Frauen wie mich kaufen“. Sie schreibt in ihrem Brief „Lieber (potenzieller) Sexkäufer“: „Jeden Tag bin ich ins Bordell gegangen. Es fühlte sich an, als ob es mir Kraft, Selbstvertrauen und Kontrolle gäbe. Ich habe mich darüber gefreut, dass du und die anderen Sexkäufer mich scheinbar schätzten. Damals habe ich für das Recht gekämpft, meinen Körper zu verkaufen. In der Zeitung … wurde ich als glückliche Hure portraitiert. Heute weiß ich, dass ich alles andere als glücklich war. Ich verfluche mich selbst für den Selbstbetrug, den ich mit Perfektion betrieben habe… Es war ein sehr langer harter Kampf, aus der Prostitution auszusteigen. Zu lernen, mich selbst zu spüren und meine Grenzen zu kennen und zu respektieren, ist immer noch schwierig für mich. Diese Überlebensstrategie für mein Leben als Prostituierte hatte ich ja schon als kleines Mädchen gelernt. Dadurch war es mit überhaupt erst möglich, mich zu prostituieren“.

Die Deutsche Corinne van de Luchteren dokumentiert in ihrem Buch TraumaNutte den Prozess ihres Ausstiegs aus der Prostitution, zu dem ihr eine Sozialpädagogin verholfen hatte. Sie beschreibt in Tagebuchform, wie die während der Therapie wachsende Erinnerung an Gewalt und sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit Abscheu gegenüber der Prostitution erzeugte: „Wenn ich an die Arbeit am Abend denke, beginne ich innerlich zu frösteln und mir wird übel. Ich könnte mir jetzt einen Finger in den Hals stecken und kotzen, kotzen, kotzen. … Ich möchte mir nach jedem Freier am liebsten meine besudelten Hände abhacken … in meiner inneren Welt stecke ich bis zum Hals im klebrigen Sumpf, klebrig wie widerliches Sperma, welches an meiner Hand klebt…“11. „Ich kann diese Schwänze nicht mehr sehen, nicht mehr in meiner Hand spüren…“ „Ich bin der Meinung, die seelischen Schäden durch die Tätigkeit im Puff sind fast irreparabel “. „Fast alle Frauen im Puff gehen irgendwie drauf. Wenn sie nicht irgendwann auf Drogen kommen, werden sie von ihren Kerlen fertiggemacht…. Ich kenne keine Frau, die damit glücklich geworden ist.“ „Manche der älteren Kolleginnen sagen, man ist versaut fürs Leben durch die Anschaffe und bleibt anfällig dafür, wenn das Geld im soliden Leben knapp wird. Es ist wie eine Sucht und bleibt im Kopf verankert“.

Tanja Rahm arbeitet heute als Therapeutin und räumt in ihrem offenen Brief (s.o.) mit der Vorstellung auf, eine Prostituierte empfände sexuelle Lust, wenn sie sich von einem fremden Mann für Geld penetrieren lässt: „Nicht ein einziges mal bin ich mit Lust zu meinem Job gegangen. Das Einzige, was mich beschäftigt hat, war, schnelles Geld zu verdienen… Nein, auch während des Sex empfand ich keine Lust, ich war nur gut darin, dir das vorzuspielen… Du warst die Nummer 3, Nummer 5 oder Nummer 8 an diesem Tag… Mein Unterleib brannte, von Gleitcreme und Kondomen…Du hattest nur ein Ziel: Deine Macht zu beweisen, indem du mich bezahlst und meinen Körper benutzt, wie es dir gerade gefällt … Ich ekelte mich vor euch und euren teilweise kranken Fantasien“.

Nach der Veröffentlichung dieses Briefes ging in Deutschland ein shitstorm im Internet los. Freier wollten nun ihre Frauenfeindlichkeit ungeschminkt vorführen und zeigen, was sie von den Prostituierten, die sie benutzt hatten, halten. So z.B. Stefan im „Männermagazin“: „Liebe Sexanbieterin, falls Du glaubst, dass ich Dich jemals begehrenswert fand, dann liegst Du schrecklich falsch. Nicht ein einziges Mal wollte ich Dein dummes Gelabere und Deine Probleme hören. Ich bin zu Dir gegangen, weil ich einfach meinen vollen Sack entleeren wollte. Mehr nicht. Die Gespräche mit Dir habe ich nur aus Höflichkeit geführt. Was Du denkst und fühlst hat mich zu keinem Zeitpunkt interessiert. Nein, auch während des Sex warst Du mir Schnuppe. Ich war nur gut darin, Dir vorzuspielen, dass Du eine begehrenswerte Frau bist. Aber das war gelogen. Mich interessieren nur Titten, Muschi und ein runder Hintern. Was Du im Hirn hast, habe ich immer für belanglos gehalten. Ja, ich habe Dich als Spermaabfallbehälter gesehen und Dir meine Zuneigung nur vorgespielt…. Ich habe gerne mein Sexspielzeug in Deine Körperöffnungen gerammt. Für Geld macht Ihr eben alles und mir hat es Spaß gemacht. Geld spielt für mich keine Rolle und ich fand es befriedigend, wenn ich für den geforderten Extrabonus nicht auf die Toilette musste. Du hast dann wirklich wie Kinderkacka ausgesehen.“

In vielen Freierforen brüsten sich Männer ohnehin ständig, wie sie die Prostituierte hergenommen haben und bewerten sie. Fantasiertes Männerrecht, Frauen zu bewerten und in jeglicher Weise zu benutzen, z.B.: „Ich zog ihr die Arschbacken auseinander und schob ihr langsam meinen Schwanz in den Arsch, was sie mit leisem Jaulen quittierte (was für ein sound). Als ich mich dem Ende näherte und sie immer heftiger fickte, wollte sie dass ich aufhöre und sie lieber in die Muschi ficken sollte. Unter normalen Umständen hätte ich das… mir war aber nun mal nicht danach… sorry Vanessa. Nach ein paar weiteren Stößen schoss ich meine Ladung in die Tüte und schob ihn ihr nochmals bis zum Anschlag rein…“ (www.freiersblick.de)

Eine Exprostituierte aus den USA beschreibt, wie sie versuchte, mit den Beschwerden und Schmerzen der sexuellen Benutzung fertig zu werden, die sie als unvermeidlich ansah, denn die entsprechenden Handlungen waren schließlich genau das, wofür sie bezahlt wurde. Sie schreibt: „Kontrolle, nicht zu jammern, wenn ein Mann meine Brust so hart anpackte, dass ein stechender Schmerz entstand. Kontrolle, meine Füße in die Luft zu strecken, auch wenn sie zitterten. Kontrolle, um sich gegen das Stoßen von hinten abzustützen, mit dem Gesicht gegen das Kissen gedrückt, rudernden Armen, während jeder Stoß meine Wirbelsäule staucht. Kontrolle, nicht gegen eine schleimige Zunge in meinem Mund zu würgen, die sich nass in mein Ohr gräbt, an meiner Kehle leckt. Kontrolle, nicht zu zucken, wenn ein Fingernagel sich plötzlich in meinen Anus bohrt, wenn ein Schwanz sich in meine Vagina schrammt, gegen brennende Haut und ich fühlte, wie mein Gesicht blass vor Schmerzen wurde“.

Die Irin Rachel Moran war 7 Jahre lang, im Alter von 15 bis 22, als Prostituierte tätig. Mit 22 gelang ihr der Ausstieg mit einem großen Kraftakt, sie studierte und konnte sich erfolgreich in die Gesellschaft integrieren. Heute bekämpft sie Prostitution energisch, sie spricht auf vielen Veranstaltungen, um die Realität der Prostitution zu vermitteln und fordert die Bestrafung der Freier. 2013 hat sie ein Buch veröffentlicht, mit dem sie sich ein letztes mal auf die mentale Reise an diesen Ort begeben hat, um sich endgültig von ihm zu befreien. Sie berichtet von Gewalt, Einsamkeit, schonungsloser Ausbeutung und Missbrauch. Die Angst verletzt zu werden, sei ständig da. Jeder realen Gewalthandlung seien endlose Gewaltdrohungen vorausgegangen. Am wenigsten Gewalt erfahre diejenige, die sich allen Wünschen der Freier beuge, für sich selber keine Grenzen setze. Welche aber mit Abwehr auf Schmerzen und Zumutungen reagiere, erfahre umso mehr Gewalt, weil die Abwehr nicht zu den Fantasien des Freiers passt, für deren freies Ausleben – und scheinbar lustvolle Reaktion – er meint bezahlt zu haben.

Offene Gewalt in der Prostitution
Die Schweizer Prostituierte und Bordellbetreiberin Brigitte Obrist äußerte sich bereits 1992(!) im SPIEGEL über wachsende Gewalt in der Prostitution . Sie berichtete von zunehmend perverseren Wünschen der Kunden, die erkennbar auf den Konsum von brutaler Pornografie zurückzuführen seien. So berichtete sie u.a. von Videos, in denen Frauen real gefoltert werden: „Beispielsweise werden Frauen an den Brüsten aufgehängt, mit dampfenden Bügeleisen attackiert oder mit ihrer Vagina an eine Steckdose angeschlossen. Mir wird schlecht bei solchen Szenen, aber es gibt eine Menge Männer, denen so was gut gefällt.“ Sie berichtete (schon damals!!) von häufigen Fragen nach „Sklavinnen“: „Manche fragen ganz klar: Was kann ich mit einer Sklavin bei euch machen? Kann ich sie auspeitschen, kann ich ihr Klammern anmachen, oder was? Andere sagen nur, dass sie mit einer in die Folterkammer wollen, das ist der Raum, in dem wir diese Art von Service anbieten. Aber sie drucksen herum, wenn es darum geht, was sie genau mit dem Mädchen machen wollen. Um aufzupassen und ihn zu kontrollieren, lassen wir immer die Türe auf“. „Ich weiß von Frauen, die halten als Sklavinnen hin aus einer extremen Notlage heraus. Die, die ich kenne, haben eine deutlich herabgesetzte Schmerzgrenze, sind aber nach einer Foltersession über Stunden hinweg völlig unansprechbar. Ich weiß von Salons, in denen die Behandlung mit Kerzenwachs, mit Nadeln und auch das Zunähen von Schamlippen angeboten wird. Natürlich verdienen die Mädchen überdurchschnittlich gut – 1000 Mark aufwärts für eine Session“.

Die Domina Ellen Templin aus Berlin bestätigte diese Praxis in einem Interview für ein Freies Radio. Sie berichtet darin, dass die Frauen nach diesen Folterungen wochenlang nicht ansprechbar seien, einige seien auch daran gestorben. Im Internet könnten die Folterpraktiken unter SM Sklavia offen gefunden werden. „Die Frauen werden geschlagen, sie müssen Anusse auslecken, sie werden aufgehängt, die Brüste abgebunden … es ist ein Wahnsinn“. Ellen Templin berichtet auch, dass mit In-Kraft-Treten des ProstG am 1.1.2002 schlagartig eine Veränderung in den Sex-Anzeigen der Zeitungen erfolgte. Während vor dem Gesetz 85% mit Kondom angezeigt war – es gab ja den Kondomzwang –, wurden es danach umgekehrt 85% Anzeigen ohne Kondom. Um die Veränderungen durch das Prostitutionsgesetz zu illustrieren, beschreibt sie, vor dem Gesetz habe es in Anzeigen z.B. geheißen: „Heidi hat Zeit, sieht gut aus, ist vollbusig und erwartet Sie“, danach: „Heidi ist geil, hat einen großen Kitzler und möchte ins Gesicht gespritzt werden“. Hinter dem dann regelmäßig angebotenen “Französisch total“ verberge sich: Oral-Sex und Spermaschlucken ohne Kondom. Sie beklagt, dass sich damals niemand kritisch zu diesen Veränderungen geäußert hätte und dass über die Schäden der Prostitution auch heute niemand etwas wissen wolle. Sie ergänzt noch, dass sie selber als Domina arbeite: „ich verkaufe sexualisierte Gewalt, ich quäle Menschen“. Es sei aber nicht so, wie es manche ihrer Kolleginnen darstellen würden, dass dies keine Prostitution sei, weil kein Geschlechtsverkehr stattfinde, denn sie müssten andere sexuelle Handlungen durchführen. Auch sei es nicht so, dass hier die Frau ihren Hass über selbst erlittene Gewalt ausleben könne, sondern auch Domina sei lediglich eine Dienstleistung und sie müsse ausführen, was der Kunde verlangt und bezahlt. In bezug auf Ausstiegshilfen äußerte sie sich kritisch zu Vorstellungen, was eine Prostituierte arbeiten könne. Altenhilfe sei z.B. ein aktuelles Angebot mit der Begründung, die Frauen hätten „schon vorher nah am Menschen gearbeitet, dann würden sie das auch können“. Prostituierte seien aber für die Altenhilfe nicht geeignet, „viele können überhaupt nicht mehr arbeiten…, für das Gros der Prostituierten, die sich selbst schlecht behandeln, die schon so verroht sind, wie sollen denn die noch einen alten Menschen pflegen? Die haben doch gar kein Gefühl für sich…, es fällt ja schon einem gesunden Menschen schwer, Alte zu pflegen … und dann schicken wir die kaputten Prostituierten dahin, die vorher Sperma geschluckt haben“.

Die australische Professorin und Feministin Sheila Jeffreys weist in ihrer Arbeit: „The Industrial Vagina“ darauf hin, dass Prostituierte unter zwei Formen von körperlicher Gewalt leiden: für die eine – die normale alltägliche Gewalt von ungewollter und oft schmerzhafter Penetration – erhalten sie Geld, die andere bleibt unbezahlt und beinhaltet Vergewaltigung, Schläge und sogar Mord durch männliche Käufer, Zuhälter, Menschenhändler und Passanten. Die schweren Verletzungen, die die Frauen erleiden und für die sie nicht bezahlt werden, seien durch zahlreiche fundierte Studien gut belegt: seelische Leiden, Knochenbrüche, Kopfverletzungen, sexuelle Gewalt, Gefangennahme. 25 Obwohl angenommen wird, dass diese Schäden in der Straßenprostitution am ehesten auftreten, gibt es Studien, die zeigen, dass die Escort-Prostitution, in der Frauen die Freier in Hotelzimmern oder in ihren Wohnungen besuchen, ähnliche Risiken birgt. Doch vor Gewalt sind auch die Frauen in den Bordellen nicht wirklich geschützt. Sie wissen nie, an was für einen Mann sie geraten. Die meisten können einen Freier nicht abweisen, sie haben entsprechende Anweisungen von den Bordellbetreibern und/oder stehen finanziell unter Druck.

In der Escort-industrie gibt es nach Sheila Jeffreys gar keinen Schutz. Sie führt in ihrem Buch eine staatliche Webseite für kommunale Gesundheit in Victoria/USA an, auf der „Sicherheitstipps“ angeboten werden, die sich speziell an die Prostituierten in der legalisierten Escort-Industrie wenden. Callgirls wird z. B. geraten, sich bei der Ankunft mit dem Gelände vertraut zu machen. Sie sollten nachsehen, ob es zu viele Autos gibt oder zu viele Lichter an sind – dies könnte auf die Möglichkeit einer Gruppenvergewaltigung hinweisen. Nachdem sie hereingelassen wurden, wird ihnen geraten, sich die Örtlichkeit zeigen zu lassen, damit sie sich für den Fall von Problemen mit den Ausgängen vertraut machen können.
Weitere Sicherheitsvorschläge lauten u.a.:

  • Stifte, Trillerpfeifen und Atemsprays können gute Waffen abgeben und dir Gelegenheit zum Entkommen geben.
  • Behaupte dich in den ersten zehn Minuten des Treffens mit dem Klienten. Von dem Moment an, wo du allein mit dem Klienten bist, ist es wichtig, die Situation unter Kontrolle zu haben und zu behalten. Sei höflich und freundlich – es ist oft der beste Weg, um Kontrolle zu gewinnen sogar wenn der Klient sich wie ein Idiot benimmt.
  • Lass den Klienten wissen, dass draußen jemand auf dich wartet, auch wenn niemand dich gefahren hat.
  • Wenn du selbst fährst, parke dein Auto so, dass nur die Rückseite vom Haus aus sichtbar ist (z. B. hinter einem Baum oder ein paar Büschen) und lass, wenn möglich, das Autoradio an (das wird den Klienten denken lassen, dass jemand auf dich wartet).
  • Lass deine Sachen auf einem Stapel nahe der Türe, sodass du sie mit einem Griff an dich nehmen kannst, wenn du schnell fort musst.

Die letzte Empfehlung zielt darauf ab, sicherzustellen, dass die Frau, sollte sie aus einer Gefahrensituation fliehen müssen, nicht nackt und ohne Autoschlüssel oder Handtasche ist. Auf dieser Ratgeberseite gibt es auch eine Instruktion für „Escort-arbeiterinnen“, in der sie vor lokalen Schmerzmitteln in der Vagina gewarnt werden: diese könnten es schwieriger machen, eine ernsthafte Verletzung zu bemerken.“27

Welche Formen die Gewalt in der „freiwilligen“ Prostitution auch annehmen kann, zeigt ein Beispiel, in dem eine 19-jährige schwangere Frau zum „GangBang“ angeboten wurde für 35€ inkl. Getränke zum unbegrenzten Gebrauch. Sie wolle vor Ihrer Niederkunft noch ein ausgiebiges Spermabad nehmen, wurde angekündigt. Nach der „Party“ wurde berichtet, dass 18 Männer anwesend waren und die junge Frau unablässig penetrierten. Es schreckte niemanden ab, dass ihre Vagina bald aussah rot „wie ein Pavianarsch“, denn sie hätte „einfach nur Spaß und wollte das bis zum geht nicht mehr auskosten.“ Bemühungen von Frauen, die die Anzeige gesehen hatten, diese „Party“ zu unterbinden, liefen ins Leere.

Um noch einmal ein Bild zu erhalten, was Prostitution konkret bedeutet, kann hilfreich sein, die auf www.traummaennlein.de angeführten angebotenen und verlangten „sexuellen Dienstleistungen“ zu studieren, die sich in folgenden Kürzeln ausdrücken:
AF = Algierfranzösisch (Zungenanal)
AFF = Analer Faustfick (die ganze Hand im Hintereingang)
AHF = Achselhöhlenfick
Aufn. = Aufnahme (zumeist des Spermas) in den Mund
AO = alles ohne Gummi
Braun-weiß = Spiele mit Scheiße und Sperma
BS = selten: blood sports (Spiele mit Blut, z.B. Schnitte zufügen)
BV = Brustverkehr, auch Tittenfick genannt
DP = Doppelpack (Sex mit zwei Frauen) oder: double Penetration (zwei Männer in einer Frau)
EL = Eierlecken
FAa = Finger-Anal aktiv (Frau fingert Partner in den Po)
FAp = Finger-Anal passiv (Frau lässt sich in den Po fingern FF = Faustfick
FFT = Faustfick total
FN = Französisch natur, also ohne Gummi
FO = mehrdeutig: a) Französisch ohne Gummi, b) Französisch optimal: dasselbe wie a), aber mit
Aufnahme, also mit Abspritzen in den Mund, c) dasselbe wie b), aber zusätzlich mit Schlucken
FP = Französisch pur (Blasen ohne Gummi und ohne Aufnahme
FT = Französisch total doppeldeutig: Blasen ohne Gummi mit Spermaschlucken und seltener: Blasen ohne Gummi bis zum Finale, aber ohne Schlucken
GB = Gesichtsbesamung (manchmal auch Gangbang, also Gruppensex, aber mit deutlichem Männerüberschuss GS = Gruppensex
KB = Körperbesamung
KKK = Kniekehlenfick
KVa = Kaviar aktiv (Frau scheißt auf Mann, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes)
Kvp = Kaviar Passiv (Frau lässt sich anscheißen)
MA = mit Aufnahme (zumeist des Spermas) in den Mund
MV = mit Vollendung (die Sexpraktik – meistens steht mV in Verbindung mit Blasen ohne Gummi – wird bis zur Ejakulation fortgesetzt
NSa = Natursekt aktiv (Frau pinkelt auf Mann
Nsp = Natursekt passiv (Frau lässt sich anpinkeln)
OV = Oralverkehr (Blasen, Lecken)
RRR = rein-raus-runter
Spanisch = Tittenfick
SpZK = Spermazungenküsse (man kann auch mit vollem Mund küssen)
SS = Spermaschlucken oder Straßenstrich
SW = Sandwich, eine Frau zwischen zwei Männern
tbl, = tabulos, ALLES ist erlaubt
TF = Tittenfick
ZA = Zungenanal (am / im Hintereingang lecken)

Forschungsergebnisse zu gesundheitlichen Auswirkungen von Prostitution
In Deutschland gab es bisher wenig Forschungsinteresse zu diesem Thema. Doch die 2004 veröffentlichte repräsentative Studie zur „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“30, die Bestandteil des nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen von 1999 war, enthält unter den 10.000 befragten Frauen insgesamt auch eine (nicht repräsentative) Spezialbefragung von 110 Prostituierten zur Gewaltbetroffenheit. Die Ergebnisse dieser Befragung sind durchaus interessant. Dabei scheint es gar nicht einfach gewesen zu sein, Bereitschaft zur Mitarbeit an der Studie in der Szene zu wecken und in den Interviews gab es erhebliche „Zurückhaltung“ bei den Interviewten Frauen, über Gewalterfahrungen im Zusammenhang mit der Prostitutionstätigkeit Auskunft zu geben. Trotz der „Zurückhaltung“ im Berichten von Gewalt bemerken die Autorinnen der Studie: „Gerade vor diesem erschwerenden Hintergrund ist es erstaunlich, dass dennoch ein großes Ausmaß an sexueller und körperlicher Gewalt auch in dieser Befragungsgruppe benannt und sichtbar wurde.“
Demnach hatten von den befragten Prostituierten angegeben, seit dem 16. Lj:
92% mindestens eine Form sexueller Belästigung erlebt zu haben;
82% nannten Formen von psychischer Gewalt;
87% haben mindestens eine der genannten Formen körperlicher Gewalt und 59% haben mindestens eine der aufgeführten Formen sexueller Gewalt erlebt.
„Damit hatten die befragten Frauen für alle Formen von Gewalt deutlich höhere Werte als die Befragten der Hauptuntersuchung und vergleichbar hohe Werte wie die Frauen der Teilpopulation „Frauen in Haft“. Die Gewaltprävalenzen der beiden Teilpopulationen Prostituierte und Inhaftierte sind bei psychischer und physischer Gewalt etwa zwei- bis dreimal und bei sexueller Gewalt fast 5-mal so hoch wie im Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung in Deutschland“.

Als Tatorte gaben die Frauen – analog der sog. „häuslichen Gewalt“ – am häufigsten die eigene Wohnung, gefolgt von einem öffentlichen Ort, einer anderen Wohnung, einem Auto oder der „Arbeitsstätte“. Auch wenn gemeinhin die Straßenprostitution als am gefährlichsten gilt, so berichteten doch 71% der Frauen, die angaben, in der eigenen Wohnung sexuelle Dienstleistungen anzubieten, hier schon einmal sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Als Täter wurden insgesamt am häufigsten die Freier genannt.

36% der Befragten gaben Verletzungsfolgen aufgrund der erlittenen Gewalt an, davon am häufigsten Prellungen (75%), Unterleibsschmerzen (52,5), Schmerzen im Körper (47,5), vaginale Verletzungen (37,5) und offene Wunden (27,5). Ein hoher Medikamentenkonsum ist die Folge: 67% der Frauen hatten in den letzten 5 Jahren Schmerzmittel eingenommen, 38% Beruhigungsmittel, 37% Schlafmittel, 34% Antidepressiva, 19% Aufputschmittel und 10% andere Psychopharmaka.
Die Autorinnen der Studie ziehen folgendes Resumeé: „In Zusammenschau dieser Befunde zur psychischen und gesundheitlichen Situation und der weiter oben aufgeführten Befunde befragten Prostituierten lässt sich zusammenfassend feststellen, dass diese Befragten in hohem Maße Gefährdungen und Schädigungen an Leib und Seele ausgesetzt sind, die auch mit der beruflichen Situation in Zusammenhang stehen dürften“.36
Obwohl die Autorinnen der Studie ihre Ergebnisse selber als besorgniserregend schildern, ziehen sie doch nicht den Schluss, Prostitution als Gewalt und be-kämpfenswert zu beurteilen, sondern sie fordern u.a. mehr psychosoziale Beratung, um die Frauen zu stabilisieren und ihren Selbstschutz zu stärken.

Außer dieser großen Bundesstudie gibt es spezifisch zu den gesundheitlichen Folgen von Prostitution eine kleinere empirische Untersuchung von 2001 mit 54 Prostituierten aus Hamburg. Sie fragte gezielt nach „traumatischen Erfahrungen, posttraumatischen Belastungsstörungen und Dissoziation“ (Zumbeck 2001) und kam zu weit höheren Zahlen als die Bundesstudie, für die Prostituierte ja nur eine Sondergruppe innerhalb der gesamten Befragung von 10000 Frauen war. Sie ergab, dass alle interviewten Frauen Traumata erlebt und 60% eine voll ausgeprägte PTBS entwickelt hatten. 98% der Frauen hatten mindestens ein Trauma erlebt, die meisten waren wiederholt viktimisiert worden. 70% der Frauen waren körperlich angegriffen und 68% vergewaltigt worden, davon 61% in der Prostitution. 65% hatten angegeben, in der Kindheit körperlich, 50% sexuell misshandelt worden zu sein.

In Lübeck wurde an der medizinischen Fakultät der Universität eine Untersuchung zum Infektionsstatus von Prostituierten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe nicht prostituierter Frauen durchgeführt. Sie ergibt eine Belastung von ca. 17% der befragten Frauen mit Hepatitis B, je ca. 7% mit Chlamydien und Aminkolpitis, sowie Syphilis und Candida.

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Auf internationaler Ebene haben Melissa Farley u.a. bisher die einschlägigsten Ergebnisse veröffentlicht mit Daten aus neun verschiedenen Ländern (2004). Demnach zeigten zwei Drittel der untersuchten 854 Frauen in der Prostitution Symptome von PTBS (posttraumatischer Belastungsstörung), die in ihrer Deutlichkeit vergleichbar waren mit denen von therapiesuchenden Kriegsveteranen, Frauen, die in Frauenhäuser flohen, Überlebenden von Vergewaltigungen und Flüchtlingen, die staatlich sanktionierter Folter ausgesetzt waren. Die Intensität der traumaabhängigen Symptome hing von der Intensität der Prostitutionstätigkeit ab. Frauen mit mehreren Freiern berichteten von härteren körperlichen Symptomen. Je länger die Frauen in der Prostitution tätig waren, desto wahrscheinlicher war eine Infektion mit einer Geschlechtskrankheit. „Das hohe Vorkommen von Obdachlosigkeit (75%) unter denen, die unsere Fragen beantwortet haben und ihr Wunsch, die Prostitution zu verlassen (89%) zeigen den Mangel an Möglichkeiten, der Prostitution zu entkommen“ (Farley, 2003). Eine Untersuchung in San Francisco (M. Farley, Howard Barkan, 2008) mit 130 Prostituierten ergab, dass 57% sexuelle Übergriffe und 49% (andere) körperliche Gewalt in der Kindheit erlebt haben, 82% in der Prostitution körperlich angegriffen und 83% mit einer Waffe bedroht wurden. 84% waren gerade oder früher einmal obdachlos, 68% waren in der Prostitution vergewaltigt worden, 68% zeigten Symptome, die für die Diagnose mit PTBS (PostTraumatischer Belastungsstörung) ausreichten.

Zusammenfassung und Position
Das Eindringen in den Körper der Frau, die Okkupation des Intimsten einer Frau und die z.T. brutale Benutzung für ein rücksichtsloses Abspritzen des Spermas im Rausch der ultimativen Machtfantasie über die Frau – das ist das Symbol von Männlichkeit als Überlegenheit über Frauen durch Ausnutzung von Traumatisierung und finanzieller Not, durch ständig wiederholte Zerstörung ihrer Würde, das oft genug brutale Hineinstoßen in den Ort der Gebärfähigkeit der Frau, der Fähigkeit, Leben zu geben. Die Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit der dies oft geschieht, hat häufig neben heftigen Schmerzen schwere Verletzungen im Unterleib, Afterbereich sowie in Mund und Rachen der Frau zur Folge. Das heute üblicherweise verlangte und zumeist gewährte „ohne Kondom“ hinterlässt vielfach schwere Infektionen bei den Frauen (vgl. Wolf 2007). Ein hoher Konsum von Drogen und Schmerzmitteln ist bekannt. Längerfristige Prostitution führt zu deutlich geringerer Lebenserwartung. Die Abschaffung einer systematischen Gesundheitskontrolle nach dem ProstG von 2002 in Deutschland verhindert eine durchgängige Gesundheitsversorgung und –vorsorge. An eine Gesundheitskontrolle der Freier ist gar nicht zu denken! Der Skandal dieser Situation wird gedeckelt durch weitgehend fehlende Datenerhebung und damit eine staatlich geförderte Auslieferung der Frauen an ein gewalthaltiges und schwer schädigendes Milieu.

Kein „Job wie jeder andere“! Prostitution ist Gewalt gegen Frauen!
Sexkauf verbieten!
Dieser Auffassung schließen sich seit den positiven Erfahrungen Schwedens mit der Bestrafung der Freier immer mehr Länder in Europa an. Initiativen auf der ganzen Welt haben begonnen, daran zu arbeiten, das Beispiel Schweden auch in ihren Ländern durchzusetzen. Länder wie Finland, Norwegen, Island und Südafrika und jetzt Frankreich haben es bereits geschafft.
Dem „schwedischen Modell“ geht es darum, die Nachfrage nach Prostitution herunterzufahren – durch die Bestrafung der Freier, jedoch nicht der Prostituierten, denen im Gegenteil Ausstiegshilfen, Arbeits- und Ausbildungsangebote sowie Therapiemöglichkeiten vermittelt werden – und sie damit langfristig zu beenden. Entscheidend und zukunftsweisend ist die Kultivierung eines neuen Männlichkeitsverständnisses, das sich nicht mehr über die (sexuelle) Benutzung von Frauen und die Dominanz über sie definiert – ein großartiges Beispiel, das die Wurzel der Prostitution angeht:

  • das sog. Triebmodell männlicher Sexualität auszuhebeln, welches vermittelt, der männliche Sexualtrieb verlange nach Befriedigung und sei schwer zu kontrollieren.
  • den Mythos zu bekämpfen, dass sexuelle Betätigung männlich und die sexuelle Benutzung von Frauen Männerrecht und legitim sei.
  • dass die tabulose sexuelle Benutzung von Frauen in der Prostitution Ehe und Familie rette und Vergewaltigungen reduziere…

In begleitenden Schulprojekten vermittelt das „schwedische Modell“ Jungen ein antipatriarchales Männlichkeitsbild. Das Selbstverständnis des Mannes hat sich verändert nach dem Motto: „nur Loser zahlen für Sex“. Jungen lernen in der Schule Respekt vor Frauen und ein kultureller Wandel ist in Schweden auf dem Weg, dessen Gleichberechtigungspolitik ohnehin bereits als erfolgreichste in ganz Europa gilt.

Das schwedische Gesetz, das „den Kauf sexueller Dienstleistungen verbietet“ trat bereits im
Januar 1999 in Kraft und wurde 2008 evaluiert. Für dieses Gesetz hatten feministische Organisationen in Schweden seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Kampagnen geführt. Es erkennt Prostitution als Form von Gewalt gegen Frauen an. Das Gesetz entkriminalisiert die Frauen, die in der Prostitution sind, denn es versteht sie als Opfer von Missbrauch. Die Regierung finanziert Ausstiegshilfen aus der Prostitution für die Frauen. Dazu gehören die Bereitstellung von Unterkünften, Beratung, Bildungsprogramme und Berufsausbildungen. Das Gesetz wird inzwischen von rund 80 Prozent der schwedischen BürgerInnen unterstützt. Wie die Sonderberaterin über Prostitution und Menschenhandel der schwedischen Abteilung für Gleichheit der Geschlechter, Gunilla Ekberg, es ausdrückt, hat das Gesetz einen normativen Effekt, denn es „macht dem selbst erteilten Recht der Männer, Frauen und Kinder zu Prostitutionszwecken zu kaufen, ein Ende und stellt die Vorstellung in Frage, dass es Männern möglich sein sollte, ihre Sexualität jederzeit und in jeder Form auszuleben“ Der Kauf von Frauen und Mädchen für sexuelle Zwecke wird als „schwerer Verstoß gegen die elementaren Grundsätze der schwedischen Politik für Gleichheit der Geschlechter gesehen“ Die Straßenprostitution ist in allen Teilen des Landes zurück gegangen. Telefongespräche zwischen Menschenhändlern, die von der Polizei abgehört wurden, zeigen, dass diese davon abgehalten werden, sich in Schweden geschäftlich zu etablieren, weil dies als Folge der Vorsichtsmaßnahmen, die unter den neuen Gesetzen notwendig sind, schwierig und teuer ist und die Käufer durch sie abgeschreckt werden (ebd.). Auf die Behauptung der Prostitutionsbetreiberinnen in bundesdeutschen Talk-Shows, die Prostitution sei in Schweden in den Untergrund gedrängt worden und damit gefährlicher für die Frauen als vorher, gibt es keinerlei Hinweise. Wahrscheinlich ist, dass schwedische Männer Prostituierte in angrenzenden Ländern aufsuchen, aber zu Hause kann sich damit keiner mehr brüsten, die Zustimmung zum Gesetz hat sich seit der Einführung verdoppelt! Doch hat Schweden ein großes Interesse daran, dass sich auch die angrenzenden Länder dem „schwedischen Modell“ (nordic model) anschließen und dieser Prozess ist seit 2004 im Gange, Norwegen, Island, Finnland sind Schweden bereits gefolgt, Frankreich wird vermutlich demnächst die letzte Hürde nehmen und in allen anderen Ländern ist die Diskussion entzündet..

Die European Women’s Lobby in Brüssel hat mit dem „Brussel’s Call“ ein „Europa frei von Prostitution“ über die Bestrafung der Freier ausgerufen, den laufend mehr Organisationen und Personen aller europäischer Staaten unterzeichnen. Es wächst auch die Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments, die den Appell unterstützen. Darin liegt die Hoffnung, eine Initiative des Europäischen Parlaments in Gang zu bringen, um eine europäische Richtlinie zum Abbau der Prostitution zu erreichen. Für uns in Deutschland ist dieser Weg besonders wichtig, denn hier sind die Hürden zum Abbau der Prostitution durch die erfolgte Legalisierung von 2002 und einer 12-jährigen Praxis wachsender Sex-Industrie mit Großbordellen und Flatrate-Angeboten besonders hoch im europäischen Vergleich. Die Prostitutionslobby ist hier weiterhin sehr aktiv und hat bereits erreicht, dass in „queeren“ Szenen Prostitution als hip und fortschrittlich angesehen und verteidigt wird sowie Kritik an der Prostitution als Diskriminierung der Prostituierten missverstanden oder bewusst falsch dargestellt wird. In den Talkshows werden Bordellbetreiberinnen gerne eingeladen, um ihr Geschäftsmodell zu verteidigen und Prostitutionsmigrantinnen sowie Zwangsprostituierte als unerhebliche Randgruppe darzustellen, Gewalt zu leugnen und Spaß am Prostituieren zu verkünden.

Doch auch in Deutschland regt sich bekanntlich Widerstand: Solwodi mit der Petition: Mach den Schluss-Strich – Keine Frauensklaverei in Deutschland! Alice Schwarzer mit dem EMMA-Appell gegen Prostitution und der Karlsruher Appell für eine Gesellschaft ohne Prostitution. Beratungsprojekte wie La Strada in Stuttgart mit Sabine Constabel, Karo an der tchechischen Grenze mit Cathrin Schauer, Maisha in Frankfurt mit Virginia Wangare Greiner und eine Marburger Bürgerinitiative sind schon im Netzwerk. Weitere Frauen und Gruppen schließen sich an. So etwas wie die „GangBangParty“ mit einer schwangeren Schülerin am 19.2.2014 in Dortmund soll nie mehr angeboten werden können, wohlhabende Geschäftsleute sollen zwischen den Vorstandssitzungen bei einem „Begleitservice“ nicht junge Frauen aus Osteuropa als „Frischfleisch“ ordern können, der sie „ins Gesicht spritzen“ und „ohne Kondom in den Arsch ficken“ dürfen. Wir wollen auch nicht mehr in der taz lesen müssen: „Ein Loch reicht nicht“ mit Werbung für eine „Weiterqualifizierung“ für die Prostitution und Sabine Constabel soll nicht mehr die Hilferufe der osteuropäischen Frauen hören müssen, die die Schmerzen bei der Penetration nicht mehr aushalten, nicht mehr schlafen können, Alpträume haben, an Selbstmord denken und wenn sie in ihr Heimatland fahren, mit Tüten voller Schmerzmittel und Psychopharmaka zurückkommen .

Prostitution ist Gewalt gegen Frauen!
Sie festigt und fördert die patriarchalen Geschlechterverhältnisse, sie ist Symbol männlicher Herrschaft über Frauen.
Prostitution und umso mehr die dramatischen Formen, die sie nach der Legalisierung in Deutschland angenommen hat, ist im Grunde eine Bankrotterklärung der Frauenbewegung. Das gilt umso mehr als die Prostitution von den Bordellbetreiberinnen/der Prostitutionslobby mit feministischen Begriffen wie (sexuelle) Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und ökonomische Unabhängigkeit belegt wird und damit gezielt Fehlinformationen verbreitet werden

Literatur

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“, Berlin 2004, www.bmfsfj.de
Constabel, Sabine: „Frauen sind keine Ware!“. Rede auf dem Prostitutions-Hearing im Bundestag 2, EMMAonline 25.6.2013
Farley, Melissa: Prostitution Is Sexual Violence, October 01, 2004 | Freier sind heimliche Sadisten. SPIEGEL-Interview mit der Prostituierten Brigitte Obrist über die Wirkungen von Brutalo-Pornos auf das Milieu, spiegelonline 27.07.1992
Gerheim, Udo: Die Produktion des Freiers. Macht im Feld der Prostitution. Eine soziologische Studie, Bielefeld 2012.
Grenz, Sabine: (Un)heimliche Sucht. Über den Konsum sexueller Dienstleistungen, Wiesbaden 2005 Gugel, Rahel: Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II Grundgesetz – eine rechtspolitische Untersuchung. Diss. Universität Bremen 2010
Rosen Hicher: Rosen: Une Prostituee témoigne, 2009
Jeffreys, Sheila: The Industrial Vagina: The Political Economy of the Global Sex Trade, Routledge, 2008
Kienesberger, Anita: FUCKING POOR. Was hat Sexarbeit mit Arbeit zu tun? Eine Begriffsverschiebung und die Auswirkungen auf den Prostitutionsdiskurs, Masterarbeit Univ. Wien 2012
Klenk, Florian: „Einfach hinklatschen“, aus FALTER 34/05
Kraus, Ingeborg: Ein fatales Bedürfnis, das Trauma zu wiederholen, um es zu kontrollieren, EMMA Jan./Febr. 2014, S. 90
Luchteren, Corinne v.: TraumaNutte, Ausstieg aus dem Rotlichtmilieu, Berlin 2013
Moran, Rachel: Paid For. My Journey through Prostitution, Dublin 2013 (dem. in dt. Über-setzung) Potterat, John J., Devon D. Brewer, Stephen Q. Muth, Richard B. Rothenberg, Donald E. Woodhouse, John B. Muth, Heather K. Stites and Stuart Brody: Mortality in a Long-term Open Cohort of Prostitute Women, American Journal of Epidemiology, Volume 159 Issue 8, Pp. 778-785. Rahm, Tanja: „Ich ekelte mich vor euch und euren Fantasien“, in: Die Welt v. 13.1.2014
Salmona, Muriel: Le livre noir des violences sexuelles, Paris 2013
Schmid, Birgit: Schweiz und Schweden: Ein Unterschied wie Tag und Nacht, in: EMMA 1/2013, S. 93ff
Schwab, Waltraud: Debatte Prostitution. Ein Loch reicht nicht, Taz 11.1.2014
Wilewski, Carolin: Nur Loser zahlen für Sex. Interview mit Kajsa Ekis Ekman, BILD.de 30.5.2013
Wolff, Anna: Untersuchung zum Infektionsstatus von Prostituierten in Lübeck, Diss. am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität zu Lübeck, 2007
Zumbeck, Sibylle: Die Prävalenz traumatischer Erfahrungen, Posttraumatische Belastungsstörungen und Dissoziation bei Prostituierten, Hamburg 2001

Links

Videos auf einem franz. Blog: Stop Prostitution
Video: Campaign against the prostitution (kaputt)
Video: Girls going wild in the red light district

Anmerkungen: Dieser Text erschien zuerst auf www.anita-heiliger.de. Hier gibt es den Text als PDF-Datei.