Traumawiederholung und Reviktimisierung nach körperlicher und sexueller Traumatisierung

von Dr. med. Wolfgang Wöller

Die Neigung von Opfern körperlicher und sexueller Traumatisierung in Kindheit und Jugend zur Wiederholung traumatischer Erfahrungen im späteren Leben ist empirisch gut belegt. Darüber hinaus findet sich eine hohe Stabilität missbräuchlicher Bindungen. Die Arbeit verfolgt das Ziel, das Phänomen der Reviktimisierung aus der Perspektive der psychodynamischen Theorie, der Bindungstheorie und aus der Sicht der Forschung zu posttraumatischen Belastungsstörungen zusammenfassend darzustellen.

Der Begriff Wiederholungszwang hat ohne zusätzliche theoretische Annahmen wenig erklärenden Wert. Innerhalb despsychoanalytischen Bezugsrahmens fasst eine ich-psychologische Sichtweise die Traumawiederholung als einen Versuch auf, die traumatische Erfahrung zu meistern, während in objektbeziehungstheoretischer Perspektive Reviktimisierung durch den Einfluss traumatischer Introjekte erklärt wird. Die negativen Kognitionen, als Person wertlos, moralisch minderwertig und schuldig zu sein, können mit der Überzeugung verbunden sein, Misshandlung und Strafe zu verdienen, wodurch Reviktimisierungen wahrscheinlich werden. Negative Lernerfahrungen aufgrund traumatischer Hilflosigkeit und Ohnmacht bedingen eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung und beeinträchtigen die Ausbildung der Selbstgrenzen. Traumawiederholung kann ferner als Verhaltensinszenierung verstanden werden, die der Affektregulation dient. Bindungstheoretische Forschungen haben Bindungsstile identifiziert, die zur Reviktimisierung prädisponieren. Die Forschungen zu posttraumatischen Belastungsstörungen betonen die Bedeutung traumatischer Affekte im Alltagsleben und die Neigung traumatisierter Patienten, zur Emotionsregulierung aktiv gefährliche Situationen herbeizuführen, ferner die Rolle von Dissoziationen in dem Sinne, dass aufgrund dissoziativer Aufmerksamkeitsdefizite Warnsignale drohender Reviktimisierungen nicht wahrgenommen werden können. Für einen therapeutischen Zugang zum Phänomen der Reviktimisierung ist eine detaillierte Analyse der zugrundeliegenden Phänomene notwendig.

Zusammenfassung aus „Traumawiederholung und Reviktimisierung nach körperlicher und sexueller Traumatisierung“ von Dr. Wolfgang Wöller aus seinem Buch „Trauma und Persönlichkeitsstörungen“. Dr. med. Wolfgang Wöller ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Neurologie und Psychiatrie, und Psychoanalytiker.

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