AFGHANISTAN  

In den letzten 3 Wochen haben uns die Bilder aus Afghanistan den Atem geraubt: Der kampflose Fall Kabuls; der dramatische Abzug der Alliierten; der Bombenanschlag der ISIS-K am Flughafen mit vielen Toten, sowohl US-SoldatInnen als auch Einheimische; die vielen Verbündeten, denen die Flucht über die Luftbrücke nicht gelang und die zurückblieben. Und heute die Taliban, die eine gewisse PR gelernt haben, ihre Ideologie jedoch nicht grundlegend verändert haben.

Die Verlierer sind die Frauen, alle Frauen! Schon vor dem Fall Kabuls wurde belegt, dass die Taliban in einigen von ihnen eroberten Gebieten die Bevölkerung aufgefordert haben, unverheiratete und verwitwete Frauen und Mädchen zwischen 15 und 45 Jahren zu melden. Warum? Um sie mit Taliban-Kämpfern zwangs zu verheiraten. Jede Frau ist heute in Afghanistan gefährdet, wenn sie sich nicht nach den Regeln der Scharia benimmt. Sie gilt dann als „Hure“ und wird nach den Regeln der Taliban bestraft: sie wird öffentlich ausgepeitscht, ihre Finger/Hände abgeschnitten oder sie wird erschossen/gesteinigt. Wegen kleinsten Vergehen ist alles möglich. Frauen haben keinerlei Rechte mehr! Und aus meiner therapeutischen Praxis mit afghanischen Geflüchteten in Deutschland konnte ich erfahren, dass die Taliban auch Frauen von ihren ermordeten Feinden sexuelle Gewalt zufügen und sie auch in einigen Fällen als Sexsklavinnen benutzen. Sexuelle Gewalt wird auch hier als Waffe eingesetzt. Übrigens auch an Jungs.

Viele afghanische Frauen, die sich im gestürzten Regime für die Freiheit eingesetzt haben, sind heute in ihrem Leben bedroht. Dafür, was für uns selbstverständlich ist, dafür müssen sie sterben. Sie haben sich für die Aufklärung und die Menschenrechte eingesetzt. Es sind mutige Frauen, jung und kämpferisch. Manche werden per Steckbrief von den Taliban gesucht. Sie verstecken sich und leben in Todesängsten. Was bleibt ist Angst, Trauer und Hoffnungslosigkeit. Wir konnten in den letzten Tagen sehen, wie einige Frauen ihr Leben trotzdem riskierten, indem sie auch unter den Taliban für die Gleichstellung demonstrierten.

Die Fehlerkette unseres Auswärtigen Amtes war haarsträubend: Warnungen wurden ignoriert, falsche Versprechungen gesendet und es gibt eine Bürokratie, die mehr blockiert als Dinge effektiv voranbringt Als Konsequenz wurden Ausreisepapiere kaum oder zu spät genehmigt. Abgeschobene Sexualstraftäter wurden wieder nach Deutschland zurückgeflogen. Gerettete mit deutschem Bezug wurden von Ramstein nach Uganda ausgeflogen. Die Luftbrücke-Kabul berichtete von wenig Unterstützung von deutscher Seite aus. Alles deutet daraufhin, dass unser Außenministerium eher eine Politik der Nicht-Aufnahme von Flüchtlingen verfolgte als die der Rettung von besonders bedrohten Menschen.

Vor ca. 3 Wochen wurde ich von einer US-Organisation angeschrieben, ob ich einer Ärztin helfen könnte aus Kabul zu kommen. Papiere wurden fertig gestellt und an das Deutsche Auswärtige Amt geschickt, wo nichts passierte. Durch jemand anderen konnte dieser Frau später geholfen werden und ihr gelang die Flucht. Es gibt viele weitere bedrohte Frauenrechtlerinnen, mit denen ich in Kontakt stehe. Unter anderem mithilfe einer Anwältin, mit der ich ebenfalls in Kontakt stehe, wird versucht, ein Recht auf Asyl für diese Frauen zu erstreiten. Es geht auch um die Kostenabdeckung für Flüge, Unterkunft, Handy, Rechtsanwaltskosten, etc.

Bitte helfen Sie mit einer Spende an die zuständige Rechtsanwältin mit: Donation information

Wir dürfen nicht wegschauen! Wir dürfen diese Frauen nicht vergessen!

Herzlichen Dank,

Dr. Ingeborg Kraus

Karlsruhe, den 08.09.2021