
Rachel Moran geriet mit 15 in die Prostitution. Der Vater hatte Selbstmord begangen, die Mutter war psychisch schwer verstört und lebte mit ihren fünf Töchtern in bitterer Armut am Rand der Gesellschaft. Rachel floh und wurde obdachlos – von da war es nur noch ein Schritt in die Prostitution. Die heute 38-jährige Journalistin prostituierte sich sieben Jahre lang: auf der Straße, im Bordell, als Escort-Girl. Sie hat es überlebt. Doch erst jetzt, viele Jahre später, schrieb sie die bittere Wahrheit auf. Das Buch räumt endgültig auf mit dem Mythos von der „freiwilligen, selbstbestimmten Prostitution“. Sie spricht vom Missbrauch der Täter wie der Scham der Opfer. Was das Buch so besonders und seine Lektüre so unverzichtbar macht, ist der Abgrund des Erlebten bei gleichzeitig hoher Reflektiertheit. Als Autorin und Bloggerin kämpft Moran heute gegen die Verharmlosung und Legalisierung der Prostitution, als Aktivistin ist die Irin die EuropaKoordinatorin von SPACE (Survivors of Prostitution–Abuse Calling for Enlightenment).
Hier ein Auszug aus dem Kapitel „Scham“:
Eines Abends, vor einigen Jahren, fragte mich eine meiner Schwestern in leicht angetrunkenem Zustand: „Wurdest du je vergewaltigt oder missbraucht oder irgend so etwas? Du weißt ja, dass du mit mir über solche Sachen reden kannst“.
Gehen wir davon aus, dass der Prostituierten ein Knebel verpasst wird (und ich weiß mit Gewissheit, dass das so ist). Wenn ich das Bild einer geknebelten Frau vor Augen habe, dann sehe ich, wie die Gesellschaft das eine Ende des Knebels festhält, während die Prostituierte das andere Ende hält – und sie gemeinsam darauf hinwirken, dass der Knoten sich fester zieht. Obwohl ich zu der Zeit der Prostitution seit mehreren Jahren den Rücken gekehrt hatte, war der Knoten meines Knebels noch fest an jenem Abend, als mich meine Schwester fragte, ob ich jemals vergewaltigt worden wäre. Deswegen konnte ich auch den ersten Gedanken, der mir durch den Kopf ging, nicht frei aussprechen. Er lautete: „Jeden Tag!“. Weiterlesen