Lutz Besser: Stellungnahme zum ProstituiertenschutzG

Stellungnahme zur Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Prostitutionsgewerbes sowie zu Schutz von in der Prostitution tätigen Personen. 04.06.2016

Als Arzt, Psychiater, Kinder- und Jugendpsychiater, Traumaexperte und Leiter des zptn – Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen, möchte ich aus meiner lang-jährigen therapeutischen Arbeit mit misshandelten und sexuell ausgebeuteten Menschen und ihren Traumafolgebelastungen und -störungen nun als geladener Sachverständiger v.a. auch emotional unterlegt Stellung beziehen, da die sicherlich im juristischen Bereich notwendige schriftliche Versachlichung von Gesetzesentwürfen und Anträgen verschiedener Fraktionen, die hier zur Diskussion stehen, aus meiner Sicht mit zur Bagatellisierung und Ausblendung von gravierenden Fakten im Bereich der Prostitution in Deutschland beitragen.

Meine Haltung und die dazu gehörigen schriftlichen Formulierungen und verbalen Äußerungen sind frei von irgend einer parteipolitischen oder religiösen Überzeugung oder Zugehörigkeit und sind auch nicht Teil einer konservativen versus progressiven, anders ausgedrückt einer puritanischen, lustfeindlichen versus freie sexuelle Selbstbestimmung bejahenden Haltung. Zum Teilen sexueller Freuden und Lust von gleichgestellten Menschen bekenne ich mich ausdrücklich und halte beglückende Sexualität zwischen zwei Menschen für eine wichtige Ressource in der zwischenmenschlichen Interaktion. Aber es geht in der Diskussion um Prostitution um etwas ganz anderes.

Ich bin Humanist, Freiheit liebender Demokrat und Arzt und daher denke und handele ich immer noch, so gut ich kann, nach dem >Eid des Hippokrates<

“ …Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht … Wel-che Häuser ich betreten werde, ich will zu Nutz und Frommen der Kranken eintreten, mich enthalten jedes willkürlichen Unrechtes und jeder anderen Schädigung, auch aller Werke der Wollust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven … .“

Ich begrüße daher ausdrücklich die Entscheidung des Bundestages anlässlich der heutigen Anhörung das Thema der „Prostitution in Deutschland“ erneut zu diskutieren, um so zu gesetzli-chen Regelungen zu kommen, die dem Schutz v.a. von Frauen die der Prostitution nachgehen, dienen sollen.

Nachdem sich durch das Prostitutionsgesetz – ProstG aus dem Jahre 2002, anders als sicherlich beabsichtigt im Laufe der Zeit herausstellte, das es keinen besseren sozialen und gesundheitli-chen und rechtlichen Schutz und Entkriminalisierung der Frauen in der Prostitution bewirkt hatte, sondern Deutschland durch die Legalisierung zum Eldorado für Bordellbetreiber, Zuhälter und Menschenhändler mit einer fulminanten Zunahme an Großbordellen, jungen kaum dem Kindesalter entsprungenen zwangsprostituierten Frauen zu tausenden aus östlichen Nachbarländern usw. kam und somit Deutschland zum „Superbordell“ Europas wurde mit z.T. Busse weise angekarrten „Kunden“ aus anderen Regionen und sogar Ländern, und es zu weiteren bizarren und abwegigen Phänomenen wie die zunehmende betriebswirtschaftlich betrachtete Vermarktung der „Ware“ Frau kam, hat man politisch doch nochmal das Thema aufgreifen müssen.

Ausgangspunkt aller dann folgenden Verhandlungen waren ja ursprünglich sehr sinnvolle und notwendige Regelungen wie: das Schutzalter auf 21 Jahre hoch zu setzen, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen, Anmeldepflicht an jedem Ort, an dem der Prostitution nachge-gangen wird, Auflagen für Bordellbetreiber und einiges mehr, bis hin zur Frage eines Prostitutionsverbotes und der Frage, ob man nicht auch „Freier“ in die Verantwortung nehmen könne.

Davon ist so gut wie nichts mehr übrig und letzteres reibt sich ja sicherlich auch viel zu sehr mit einem demokratisch-freiheitlichen Grund(un)verständnis.

Und somit kann natürlich erst einmal auch niemand, egal aus welcher Fraktion, für ein generelles Prostitutionsverbot sein, würde es doch auch die wenigen Frauen einschränken, die ihren Körper mit Lust und Wonne und noch dazu mit einer guten Bezahlung auf dem Sexmarkt oder ganz privat legitimer weise in ihrer Wohnung anbieten. Nein, die freigewählte körperliche Liebe, will keiner von uns einschränken.

Wohl aber kann für wirksame Regelungen, um die sexuelle Ausbeutung von Frauen zu erschweren und sie besser zu schützen, politisch noch einmal gerungen werden.

Wenn es aber jetzt in der Diskussion nur noch um die Frage gehen sollte, ob und wie man den Schutz von schwangeren und geistig minderbemittelten, also mehr oder weniger widerstandsunfähigen Frauen in der Prostitution erreichen und gesetzlich regeln könnte, dann macht mich das mehr als betroffen.

Mit Verlaub gesagt, meine Damen und Herrn des Bundestages, selbst wenn diese Diskussion besser ist als nichts, und guten Willen beinhalten mag, etwas zu verbessern, eine solche „Feigenblatt-Diskussion“ mit all der dazugehörigen Scheinheiligkeit, zu dem wie es im deutschen Prostitutionsgewerbe wirklich zugeht, widert mich eigentlich an, auch wenn ich bereit bin zu diesen beiden Aspekten des Schutz von in der Prostitution tätigen Personen als Arzt etwas bei der Anhörung zu sagen. Ich werde mich aber nicht dafür hergeben, gar diagnostische Instrumente zur Feststellung der Fähigkeit oder Unfähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung zu diskutieren, um am Ende dann feststellen zu lassen, dass das ja auch wieder eine Art von Diskriminierung sei.

Es beginnt mit der sprachlichen Nivellierung, Verharmlosung, also der Benutzung von Begrifflichkeiten u.a. aus unserem Wirtschaftssystem, die der Dissoziation, also der Abspaltung vom Bewusstsein dienen, um was es sich in der Prostitution eigentlich handelt, nämlich die systematisierte und legalisierte Ausbeutung, Benutzung und Erniedrigung von Frauen als Sexualobjekte:

Gewerbetreibende, Horizontales Gewerbe, Gewerbegebiete, Angestellte, abhängige Beschäfti-gungsverhältnisse in Prostitutionsstätten, Freudenhäuser, käufliche Liebe, Liebesdienerinnen, Damen und Herren, die sich im Rotlichtmilieu (romantisch) zum Liebesspiel treffen, Freier, Kunden, leichte Mädchen und schwere Jungs, Bordsteinschwalben und dann wieder ganz abwertende Begriffe wie Huren und Schlampen, wie sie gerne von „Freiern“ bezeichnet werden, wenn sie sich an ihnen bedient haben usw.

Auch wenn es hier in unserer heutigen Anhörung nicht primär um Menschenhandel und klassische Zwangsprostitution, also um strafrechtlich relevante Tatbestände geht, wie es im Rechtsausschuss des Bundestages diskutiert wird, möchte ich doch sehr deutlich auf die Äußeren und inneren Zwangslagen von 80 -90% der Frauen, die angeblich auch aus Sicht einiger Bundes-tagsabgeordneten freiwillig der Prostitution nachgehen.

Es handelt sich keines falls um freiheitliche sexuelle Selbstbestimmung und geregelte „Erwerbstätigkeit“, sondern die meisten der betroffenen Frauen leiden still vor sich hin und stehen durch Schutzlosigkeit unter folgenden Zwängen:

1) Soziale Zwangslagen in ihren Ursprungsfamilien und Heimatländern;

2) Gut als ‚Loverboys‘ getarnte Mitwirkende im organisierten Menschenhandel; das sind verführerisch, charmant und nett wirkende junge Männer, die entweder mit einer vor-getäuschten persönlichen Liebesbeziehung und/ oder mit Verheißungen auf ein besseres Leben und gute Verdienstmöglichkeiten in der BRD die Mädchen und jungen Frauen in die indirekte und direkte Zwangsprostitution locken, wo sie dann rücksichtslos ausge-beutet, erniedrigt, gedemütigt, oft gequält, bewacht und gefangen gehalten werden und was dann als Zwangsprostitution nicht ganz leicht zu entlarven ist, denn diese vielen betroffenen Frauen dürfen und können nicht reden, über das was sie erleben, fühlen und was Ihnen angetan wird

Die so rekrutierten Frauen stehen unter massiver Kontrolle, extremen Druck durch emotionale, körperliche und bewusst eingesetzte sexuelle Gewalt, haben keine Pässe und Ausweise mehr und sind der Willkür der Zuhälter und Freier ausgeliefert. Und an eine Rückkehr in ihre Heimat ist aus besagten Gründen gar nicht zu denken. Es ist leicht und üblich sie an Alkohol und Drogen zu gewöhnen, da sich damit das alles besser aushalten lässt und sie damit noch abhängiger werden.

3) Ökonomischer Druck immer mehr „anschaffen“ zu müssen, durch „Schutzgeldzahlungen“ an, also Ausbeutung durch die Zuhälter,

4) Zahlung von Mieten an die Etablissementbesitzer/BordellbetreiberInnen

5) nachdrückliche z.T. absolut perverse und mit Drohungen und z.T. Gewalt durchgesetzte Forderungen von ‚Kunden‘,

6) Reinszenierungen (meist unbewusst) der frühen Misshandlungs- und sexuellen Miss-brauchserfahrungen aus der Kindheit, also sich erneut zum wehrlosen Opfer machen und dabei erneut zu dissoziieren, d. h. mit der Wahrnehmung aus der Realität aussteigen und es über sich ergehen lassen, um nicht Schmerz, Angst und Ekel, Benutzt werden und Entwürdigung spüren zu müssen,

7) Stillschweigen aus Scham- und Angstgefühlen, sowie Schweigen durch reale Bedrohung der verschiedenen „Täter“,

8) fehlender rechtlicher Schutz (wozu auch, denn die meisten würden das ja angeblich freiwillig und selbstbestimmt machen, mit Leichtigkeit, Freude und zusätzlich materiellem Gewinn) –

9) fehlender gesundheitlicher Schutz und Gesundheitsfürsorge (Krankenversicherun-gen), d.h. dass die weit überwiegende Mehrheit der Frauen in der Prostitution nicht krankenversichert ist. Und dabei müssen sie Dinge tun, bei der Verletzungen, jedwede Art von Infektionen und krankwerden zum Job gehören. Das bedeutet auch, dass er-krankte oder verletzte Frauen weiter arbeiten müssen, denn der Ertrag ihrer Prostitutionstätigkeit bleibt ja überwiegend nicht bei ihnen, sondern geht in erster Linie an die Bordellbetreiber, dann die Zuhälter, und/oder die Familie im Heimatland. Sie können sich also auch privat einen Arztbesuche gar nicht leisten.

Zumal viele von ihnen sowieso kein Deutsch sprechen, nicht frei sind und gar nicht wissen wohin sie da gehen sollten. Da die Anmeldung, im Rahmen derer sie über Hilfsmög-lichkeiten informiert werden sollen, nur alle zwei Jahre, bei unter 21jährigen jedes Jahr, erneuert werden muss, hilft ihnen diese Erstinformation auch nicht weiter. Wenn sie erkrankt sind, werden sie womöglich rasch in eine andere Stadt verbracht und wissen dann von gar nichts. Eine KV würde sie stärken. Sie brauchen also Krankenversicherungen mit deutschen Versorgungsstandards, die die Kosten auch übernehmen.

10) Kognitiv beeinträchtigte Frauen in der Prostitution, also intellektuell eingeschränkte oder gar geistig Behinderte sind neben den kulturellen und sprachlich bedingten Kommunikationsbarrieren um zu verhandeln oder zu etwas wenigstens gezielt Nein-sagen zu können, am schutzlosesten; – Aber gerade das sind für die ausbeuterischen Profiteure die am besten zu verwertenden und zu benutzenden Frauen.

Ich möchte an dieser Stelle auf die Parallele zum häufigen nicht gewerblichen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, also von behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auch in sozialen Einrichtungen wie Heimen hinweisen. Sie sind nicht nur Widerstandsunfähig, sondern auch „Aussageuntüchtig“ und nicht „Glaubwürdig“, wenn sie wirklich einmal reden würden und das ist idealer „Rechtsschutz“ für die Missbraucher.

Unter den gerade erst 18-jährigen Prostituierten und auch älteren haben wir völlig naive, einfach gestrickte Mädchen auf dem Straßenstrich und in Bordellen. Die verstehen gar nichts, sprechen kein Deutsch, verstehen den „Freier“ nicht, können nicht verhandeln und die geilen Männer, abwegiger Weise wie schon mehrfach betont als „Freier“ bezeichnet, machen mit denen was sie wollen. Und die Bordellbetreiber und Betreiberinnen sind scharf auf sie, weil sie am leichtesten zu vermarkten sind.

11) Und zum Thema der schwangeren Frauen in der Prostitution fällt mir nun wirklich nichts mehr ein, wenn ich da in Schriftsätzen und Gesetzesentwürfen verschiedener Bundestagsfraktionen und des Bundestages schlechthin von lediglich regulärem Mutterschutz in der letzten Schwangerschaftsphase lese.

Meine Damen und Herrn, der Schutz des ungeborenen Lebens und damit auch der das in sich werdende Leben tragenden Mutter, dürfte doch eigentlich gar nicht kontrovers zur Diskussion stehen. Abgesehen von Infektionsgefahren mit Geschlechtskrankheiten aller Art und Verlet-zungsgefahren ist der Stress und die emotionale Situation der schwangeren Prostituierten bei der Ausübung von Sex am Fließband absolut schädlich für die Entwicklung des Kindes im Mut-terleib. Studien über pränatalen Stress weisen auf die Entwicklungsstörungen und Spätfolgen der betroffenen Kinder hin, von den Auswirkungen von Alkohol- und Drogenkonsum der Schwangeren mit entsprechenden gleich nach der Geburt sichtbaren Alkoholembriopathien und/ oder Entzugssymptomen der Neugeborenen ganz zu schweigen. Also fürs Leben geschädigt!

Und darüber hinaus, welche gesunde Frau würde schwanger selbst mit einem geliebten Partner 6-10 mal in 24 Std. Sex haben wollen!?

Es gibt aber einen Markt für Sex mit Schwangeren, der von den Profiteuren bedient werden will. Grundsätzlich werden ohnehin in der Prostitution von „Freiern“ Praktiken verlangt, die sie sich mit Frauen, die die Wahl haben nicht getrauen zu leben. So gibt es eben auch den besagten profitablen und pervertierten Markt für ‚Sex mit Schwangeren‘ und die dazu gehörige Werbung.

In der Praxis bedeutet das, dass Frauen sogar gezielt geschwängert werden, um die passenden Freier zu bedienen und dann Spätabtreibungen im Ausland zu machen oder betroffenen Prosti-tuierten das Kind hier zur Welt bringen und im Krankenhaus einfach zurücklassen. Sie hauen ohne Kind ab und werden direkt wieder schwanger.

Mir ist von einer Berliner Kollegin aus der Adoptionsvermittlung bekannt, dass sie mittlerweile mehr Babys haben als suchende Adoptiveltern.

Daher ist in einer anstehenden Gesetzesänderung eindeutig fest zu verankern, warum und dass Schwangere grundsätzlich nicht in der Prostitution arbeiten dürfen, ohne dass wieder irgendjemand hier auf die ebenfalls perfide Idee kommen würde, dass das nun wieder eine Einschränkung der freien sexuellen Selbstbestimmung von Frauen oder eine Diskriminierung dieser Frauen bedeuten würde.

Ich habe also mit meinen zum Teil drastischen Ausführungen versucht, ein wenig mehr Licht in dieses „dunkle Kapitel“ deutscher Gesellschaftspolitik, Moral- und fehlender Ethikdiskussion aus Sicht eines Arztes und Traumaspezialisten zu bringen – nämlich dass es sich bei der heuti-gen Prostitution nicht nur in Deutschland, sondern Weltweit um die organisierte und legalisier-te Ausbeutung und Erniedrigung von Frauen, also moderne Sklavenhalterei und Ausblendung der Folgen für die Hunderttausenden (weltweit Millionen) von betroffenen Frauen und einen zunehmenden Verlust der Werte- und Normenentwicklung unserer Gesellschaft geht.

Allein in Deutschland suchen täglich weit mehr als eine Million Männer Prostituierte auf. Leben wir also in Deutschland, wir ‚armen Männer‘ in einem sexuellen Notstandsgebiet oder könnte es nicht sein, dass v.a. Männer der Droge Sex, gefördert durch Pornoindustrie und Porno-Konsum erliegen und abhängig werden und häufig Sexsucht bereits entwickelt haben und so immer mehr Männer aller Altersgruppen diese Sucht emotionlos mit steigendem Suchtdruck („craving“) bei und an Prostituierten ausleben ‚müssen‘?

Und da schließt sich der Teufelskreis der Milliarden schweren Porno- und Sexindustrie und wie ist es da mit den Steuereinnahmen dieses „Wirtschaftszweiges“, anteilig so üppig wie der Umsatz!?

Also Schluss mit der Ausblendung der Realität zu glauben oder besser gesagt sich einzureden, oder sich von Lobbyisten, u.a. Bordellbetreiber(Innen) oder einigen wenigen „Edelprostituier-ten“, übrigens immer wieder auch gern eingeladene Gäste in Talkshows, vorgaukeln zu lassen, dass ein nicht unerhebliche Teil von Frauen, allein in Berlin ca. 8000 freiwillig der Prostitution nachgehen. Welche Frau lässt aus freien Stücken, selbst für Geld, 10-15 mal pro Tag zahlreiche fremde Männer in irgend eine Körperöffnung eindringen, am besten noch in einem ‚Flatrate-Bordell‘, wo „Freier“, also Kunden für 25-50 € Bockwurst, Getränke und Frauen bis zum Geschäfts-schluss konsumieren können! Wollen wir das als Gesellschaft weiterhin politisch legalisieren und damit dem „Seelenmord“ von allein auf Deutschland bezogen einigen hunderttausend Frauen zustimmen und wenn wir das tun, wessen Geistes Kind sind wir dabei?

Und bitte noch einmal, es geht hier nicht um etliche Frauen (Studentinnen, Hausfrauen, Allein-stehende und jene die vermeintlich wirklich Spaß daran haben), die privat tatsächlich freiwillig ihren Körper und Sex für Geld anbieten, das sie auch für sich behalten können.

Die politische und (meist durch Unwissenheit entstehende) gesellschaftliche Haltung zum ei-gentlichen Thema der organisierten Prostitution ist beschämend und eine tiefe Schande für unser Land, und für uns Männer und auch Frauen die dort politisch mitspielen und damit meine ich nicht die ausgebeuteten Prostituierten, die es nicht zu diskriminieren gilt! Gerade ist der Dokumentarspiel-Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ mit Filmpreisen gewürdigt worden und dokumentiert die deutsche Tendenz weit über die Nachkriegs Zeit hinaus sich poli-tisch nicht mit dem Thema von Menschenverachtung, Gewalt und Verfolgung der (Nazi)Täter ausreichend auseinander gesetzt haben zu wollen. Der Vergleich mag weit hergeholt erscheinen, ist es aber glaube ich nicht.

Ich werde mich als Arzt und auch gerade als Mann jedenfalls nicht an einem aktuellen Labyrinth des Schweigens und Verleugnens dessen was Prostitution in Deutschland wirklich ist, beteiligen und spreche deshalb auch bewusst emotional Klartext.

Die Täter (Bordellbetreiber und Betreiberinnen, Zuhälter, Menschenhändler, Pornoproduzenten und meist auch die „Kunden“/Konsumenten) im Prostitutions-Milieu sind unter uns und werden hinter Fassaden, getarnt als edle Geschäftsleute und Gewerbetreibende auch zu Talkshows und so weiter eingeladen, wo sie das „Horizontale Gewerbe“ in schillernden Farben positiv darstellen. Und die „Kunden“, werden als „Freier“ bezeichnet oder bedürftige Männer, so als wenn es sich um eine Partnerschaftsbörse handeln würde. Und wo sollen wir mit unserem männlichen hormonellen Testosteron-Überschuss sonst auch hin, in feste Partnerschaften und Liebesbezie-hungen?!

Wenn wir uns die Situation im sogenannten „Rotlicht-Milieu“ in Deutschland mit einer weit verbreitet völlig endgrenzten und pervertierten männlichen Sexualität und Sexindustrie aufrichtig anschauen, werden wir Zeugen und Zeuginnen von erheblichen Menschenrechtsverletzungen durch Ausbeutung, Erniedrigung und Gewalt meist gegen Frauen (und Kinder) und so einem zunehmendem Verlust jeglichen Anstands, Moral und Ethik aber auch einem Verlust an . Zärtlichkeit, Kontakt- und Beziehungsfähigkeit.

Und wenn wir bereit wären, das zu erkennen, dann haben wir auch die Verantwortung, etwas Entschlossenes dagegen zu tun und nicht nur zu diskutieren, ob schwangere und geistig einfältige Frauen die (un)freiwillig der Prostitution nachgehen eines besonderen Schutzes bedürfen. Und ob Frauen in der Prostitution überhaupt registriert werden sollen und einer Krankenversicherung bedürfen und regelmäßigen Gesundheitschecks unterzogen werden dürfen.

Wacht auf liebe abgeordnete Volksvertreter aller Parteien, erzürnt Euch und macht euch nicht länger zu naiven und gutgläubigen Handlangern der Lobbyisten und LobbyistInnen, denen es auf dem Rücken derer, die ihren Körper verkaufen (meist müssen) rücksichtslos nur um erhebliche Profite geht.

Durch das konstruktive Ansinnen dieser erneuten Diskussion hier bei der Anhörung, haben wir eine gute Chance doch noch ein anderes als das bisherige politische Handeln zu erreichen, was dringend notwendig ist. Wir müssen uns in einem modernen demokratischen Staat, der gerade auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte weltweit nun für die Einhaltung von Menschenrechten und anderen humanitären und sozialen Werten und Normen steht und auch international einsetzt, fragen „wessen Geistes Kind“ wir sind und seien wollen.

Sollten Sie heute nach der Anhörung z.B. auf der Oranienburger Straße hier in Berlin von einer der dort zahlreich in Hotpants etwas aufreizend dastehenden und oft auch ganz hübschen, eher jugendlich wirkenden Prostituierten mit der Frage angesprochen werden ‚Na, Kleiner, möchtest Du Dich nicht mal richtig entspannen?“, dann können Sie, meine Herrn wie ich ant-worten „Danke, ich bin schon ganz entspannt, aber nicht bei der bisher unzureichenden Diskussion und Gesetzgebung“.

Ich fordere daher den Bundestag auf, folgende gesetzliche Regelungen zu schaffen:

  1. Schutzalter für Prostituierte auf 21 Jahre hoch zu setzen,
  2. die Meldepflicht verbindlich zu machen,
  3. Krankenversicherung für alle gemeldeten Prostituierten einzuführen,
  4. Verpflichtung zu gesundheitlichen Untersuchung in angemessenen Abständen z.B. von 6 Monaten einzuführen,
  5. schwangere Frauen über den gesamten Schwangerschaftszeitraum vor Prostitution zu schützen,
  6. geistig beeinträchtigte Frauen vor der Prostitution zu schützen, z.B. durch Strafandrohung von Bordellbetreibern, die solche Frauen in ihren Bordellen arbeiten lassen,
  7. Verbot von Werbung und Betreiben von Flatratebordellen,
  8. Mediale und schulische Aufklärungskampagnen über das Prostitutions-Milieu und die damit einhergehende Tatsache, dass sich die Freier am modernen Sklavenmarkt beteiligen.

„Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegen stellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht“ (Papst Gregor 7.Jhd.)

Lutz-Ulrich Besser

FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiater, FA für Psychotherapeutische Medizin, EMDREA-Trainer für EMDR mit Kindern und Jugendlichen, Leiter des zptn

3 Gedanken zu „Lutz Besser: Stellungnahme zum ProstituiertenschutzG

  1. Mondrian v. Lüttichau

    Eine wunderbare und nuancierte Parteinahme, in der das meiste Relevante angesprochen wird. Allerdings vermisse ich Hinweise auf die psychotraumatologische Situation einschließlich der Auswirkung von traumatischer Dissoziation, wofür ja gerade Dr. Besser Fachmann ist.

    1. Ingeborg Kraus Beitragsautor

      Ja, es fehlt leider auch die Forderung eines Sexkaufverbotes. Denn Regulierungen immer wieder gescheitert sind und durch sie auch ein falsches Signal gesendet wird: Sie legen letztlich mit gesetzlichem Gütesiegel fest, welche Formen der Ausbeutung und der sexuellen Gewalt von einer Gesellschaft als normal und schützenswert per gesetzlicher Absicherung betrachtet werden – und verhandeln bestenfalls die Grenzen dazu.

  2. März

    Vielen Dank für diesen Artikel. Leider werden die „Freier“ ihn nicht lesen, oder eine Abwehrhaltung einnehmen, so wie viele Sklavenhändler auch. Es wird ja auch billig Kakao gekauft von Leuten die wissen, dass er in 80% aller Fälle von Kindern die als Sklaven gekauft wurden und ihrem Herrn in allen Belangen ausgeliefert sind. Noch nie gab es in der Geschichte der Menschheit so viele Sklaven im Verhältnis zu „freien“ Leuten. Man kann im Netz alles kaufen, vom Baby bis zur Privatsklavin. Man kann sie töten und wird nicht belangt, weil es so viele sind, sie nicht vermisst werden, oft noch nicht einmal eine geburtsurkunde haben und daher nicht offiziell existieren. Die Kinder auf den Kakaoplantagen werden, wenn sie verletzt sind oder krank werden zum sterben liegen gelassen. All diese Menschen arbeiten für uns Reiche und es interessiert uns nicht wirklich. Wieso sollte es bei männlichen „Bedürfnissen“ anders sein? Zumal Frauen traditionell seit Jahrhunderten eine Ware sind? Da muss man nur die alten Philosophen lesen. Aristoteles findet Sklaverei natürlich und richtig, Frauen sind bei allen minderwertig und dazu da dass man sie entweder als Zuchtvieh (die Ehefrau) oder als Sexspielzeug benutzt und selbst Marc Aurel hat für weibliches nichts übrig.
    Umso mehr erfreut es mich mal einen Mann zu lesen der empathisch, klug und sozial sowie selbstverantwortlich denkt und handelt.
    Vielen Dank
    Mit besten Grüßen
    Simone März

    Quellen über Sklaverei u.a. http://www.freetheslaves.net, http://slaveryfootprint.org, http://www.antislavery.org, http://www.3sat.de/page/?source=/dokumentationen/184259/index.html,

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