Archiv der Kategorie: Gewalt

Reise in eine religiöse Diktatur

Bericht über das Berufungsverfahren gegen Betty Lachgar am 06.10.2025.

 Rabat, den 06.10.2025.

Betty Lachgar ist klinische Psychologin. Sie ist auch eine international bekannte Frauenrechts- und LGBT-Aktivistin in Marokko. In einem Land, wo Lesben und Schwule kriminalisiert sind, ist das sehr mutig!

Es wurde im Ausland, genau genommen in Deutschland, Spanien und England, ein Foto von ihr gemacht mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Allah ist Lesbisch“. Sie trug es um ihre Solidarität mit zwei iranischen Frauen zu bekunden, die aufgrund ihres Lesbisch-Seins inhaftiert wurden. Ein Marokkaner hat dieses Foto aus dem Kontext gerissen und es in den sozialen Medien publiziert und eine Hetzkampagne gegen sie in Marokko gestartet. Es folgten unzählige Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken mit Aufrufen sie zu vergewaltigen bis hin sie zu töten.

Normalerweise sollte ein Staat eine Frau schützen, die lebensgefährlich bedroht wird. Die marokkanische Justiz hat sie aber festnehmen lassen und sie zu 2,5 Jahren geschlossener Haft verurteilt.

Marokko hat viele internationale Abkommen unterschrieben, die die Meinungsfreiheit schützen sollen. Dieses Urteil ist ein eindeutiger Verstoß dagegen. Auch die Haftbedingungen von Betty sind unzumutbar: seit ihrer Inhaftierung am 10. August, befindet sie sich in Isolationshaft. Eine Foltermethode, die dazu dient, Menschen psychisch zu brechen. Es geht ihr nicht gut. Dringende medizinische Versorgung wird ihr auch verweigert, obwohl sie unter einer Krebserkrankung leidet, die behandelt werden muss.

Mittlerweile hat sich international Solidarität für Betty mobilisiert. In Marokko selbst und insbesondere in Frankreich, wo auch Politikerinnen ihre sofortige Freilassung fordern.

Zu der Berufungsverhandlung am 6. Oktober bin ich nach Rabat geflogen und habe als Prozessbeobachterin, im Auftrag der Internationalen Feministischen Front, die sie seit ihrer Inhaftierung unterstützt, an der Verhandlung teilgenommen.

Auf das, was mich an diesem Tag erwartet hat, war ich nicht vorbereitet. Ich wurde Zeugin eines Inquisitionsverfahrens einer vergangenen Zeit! Weiterlesen

Voyage dans une dictature religieuse

Compte rendu du procès en appel de Betty Lachgar, le 6 octobre 2025 à Rabat.

Betty Lachgar est psychologue clinicienne. Elle est aussi une militante connue internationalement, engagée pour les droits des femmes et des LGBT au Maroc. Dans un pays où les lesbiennes et les gays sont criminalisés, cela témoigne d’un grand courage.

Elle a été photographiée à l’étranger, en Allemagne, en Espagne et en Angleterre, portant un T-shirt sur lequel était écrit Allah is lesbian. Elle le portait pour exprimer sa solidarité avec deux Iraniennes emprisonnées pour leur homosexualité. Un Marocain a publié cette photo sur les réseaux sociaux, en la sortant de son contexte, et a lancé une campagne de dénigrement contre Betty Lachgar au Maroc. D’innombrables insultes ont suivi sur les réseaux sociaux, avec des appels au viol et au meurtre.

Alors qu’un État se doit de protéger ses nationaux dont la vie est menacée, la justice marocaine a arrêté Betty Lachgar et l’a condamnée à deux ans et demi de prison ferme.

Le Maroc a signé de nombreux accords internationaux protégeant la liberté d’expression. Ce verdict constitue une violation flagrante de ces accords. Les conditions de détention de Betty Lachgar sont indignes : depuis son arrestation le 10 août, elle est maintenue à l’isolement – ​​une torture visant à briser psychologiquement. Elle est privée de soins médicaux urgents que nécessite son état — elle subit les séquelles d’un cancer.

La solidarité avec Betty Lachgar s’est manifestée à travers le monde. Au Maroc aussi, et surtout en France, où des responsables politiques ont demandé sa libération.

Je me suis rendue à Rabat pour l’audience d’appel le 6 octobre et j’y ai assisté en tant qu’observatrice pour le Front féministe international, qui a soutenu Betty Lachgar depuis son arrestation.

Je n’étais pas préparée à ce qui m’attendait ce jour-là. J’ai été témoin d´une inquisition d’un autre âge. Weiterlesen

Виступ докторки Інгеборг Краус про сексуальну експлуатацію українських жінок

Виступ доктора  Інгеборг Краус на зустрічі експертів з питань протидії торгівлі людьми на запрошення Центру розвитку демократії в Україні, Міністерства соціальної політики України, Вищої школи державного управління при Президентові України та Структури ООН Жінки в Україні 29.04.2025.

У нас є два абсолютно різних закони про проституцію, які були запроваджені в Європі понад 20 років тому: скандинавська модель у Швеції та модель легалізації в Німеччині. Ми знаємо результати. Жодній країні більше не потрібно експериментувати. Завдяки моделі легалізації Німеччина стала борделем Європи, а наша країна перетворилася на Ельдорадо для торговців людьми, сутенерів, власників борделів і покупців сексуальних послуг. Якщо ви оберете німецьку модель, ви збільшите насильство над жінками, які займаються проституцією, а також у суспільстві в цілому. Ви нормалізуєте проституцію, збільшите проституцію і перетворите свою країну на магніт і розсадник для сутенерів. У нас є закон проти торгівлі людьми, але він стає марним, коли приймається закон, який легалізує проституцію. Послухайте наш досвід! Weiterlesen

Speech by Dr. Ingeborg Kraus on the Sexual Exploitation of Ukrainian Women

Speech by Dr. Ingeborg Kraus at the experts meeting on human trafficking at the invitation of the Democracy Development Center in Ukraine, Ministry of Social Policy of Ukraine, Higher School of Public Governance Ukraine and UN Women Ukraine. 29.04.2025. Here as PDF: Speech-Ukraine-Kraus-pdf

We have two completely different laws on prostitution that were introduced in Europe more than 20 years ago: the Nordic model in Sweden and the legalization model in Germany. We know the results. No country needs to experiment anymore. With the legalization model, Germany has become the brothel of Europe, and it has turned our country into an El Dorado for human traffickers, pimps, brothel owners and sexbuyers. If you choose the German model, you will increase violence against women in prostitution, but also in society as a whole. You will normalize prostitution, increase prostitution and turn your country into a magnet and breeding ground for sexbuyers. We have a law against human trafficking, but it gets useless with a law that legalizes prostitution. Listen to our experience! Weiterlesen

Menschenhandel und Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht

Ein Text von Dr. Ingeborg Kraus, Karlsruhe, den 06.06.2022. 

Hier auch als PDF: Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht-1-pdf

Inhalt:

  • Seite 2: Einführung
  • Seite 3: Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht
  • Seite 4: Studien zur Prävalenz von PTBS bei Menschen in der Prostitution
  • Seite 9: Klinische Beispiele:
    • Körper und Geist müssen in der Prostitution ausgeschaltet werden
    • Jeder Freier ist traumatisierend
    • Dissoziation und Trauma-Gedächtnis. Die traumatischen Folgen erscheinen oft viel später.
    • Vortraumatisierungen als Einstieg in die Prostitution
    • Wir haben uns zu Mittätern gemacht und das erschwert einen Heilungsprozess für die Opfer
  • Seite 13: Viele haben ein falsches Bild von Menschenhandel-Opfer zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. Trauma-Bindungen und Traumafolgen halten die Frauen in der Zwangsprostitution.
  • Seite 15: Durch legalen Sexkauf steigt die Gewalt gegen Frauen gesamtgesellschaftlich
  • Seite 17: Schlussfolgerungen und politische Forderungen
  • Seite 18: Über die Autorin
  • Seite 19 bis 24: UnterzeichnerInnen des Appells für eine Welt ohne Prostitution

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Pressemitteilung zum Weltfrauentag

Seit Beginn Putins Krieg in der Ukraine sind über eine Millionen Menschen auf der Flucht. Frauen und Kinder sind oft auf sich allein gestellt, weil die Ukraine alle Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren für den Kriegsdienst mobilisiert hat.

„Es ist traurig, aber leider nicht neu», sagt Irene Hirzel vom Beratungs- und Schulungs-zentrum gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung «ACT212». „Menschenhandel sei ein grosses Business, das von Kriegen befeuert werde. Wenn Menschen fliehen müssen, sind sie in einer vulnerablen Situation und werden Ziel von Schleppern. Diese wollen Geld verdienen und interessieren sich nicht für die Menschen, nur für den Gewinn“, so Hirzel.

„Am Tag der Invasion sind die Google-Suchen nach «Ukrainian girls» massiv angestiegen und bleiben seither hoch. Das gleiche Phänomen ist laut Hirzel auf Pornoseiten zu beobachten. Fälle von Ukrainerinnen, die in die Fänge von Menschenhändlern gerieten, seien schon nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 gemeldet worden.“

Die Menschenhändler befriedigen damit die Nachfrage von Sexkäufern, die in Deutschland seit der Liberalisierung der Prostitution explodiert ist. Die deutsche Regierung verurteilt geschlossen und zurecht Putins Krieg in der Ukraine, sie bleibt jedoch einer Gesetzgebung gegenüber blind, die der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern in Deutschland Tür und Tor geöffnet hat. So kann die Flucht vor Putins Krieg für manche Ukrainerinnen zum Albtraum in Deutschland werden.

Deshalb fordern wir ein Sexkaufverbot nach Nordischen Modell jetzt! Weiterlesen

Therapie und Arbeit mit Sexkäufern

©Ein Vortrag von Dr. Ingeborg Kraus, am 11. November 2021 in Selb im Rahmen der internationalen Konferenz zu Zwangsprostitution und Menschenhandel.

Hier auch als PDF: Therapie und Arbeit mit Sexkäufern

 Karlsruhe, den 13.02.2022. 

Therapie und Arbeit mit Sexkäufern / Freiern / Prostitueurs

Inhaltsübersicht:

1. Der Freier: Eine soziale Konstruktion.
2. Studien über Sexkäufer.
–  Claudine Legardinier und Said Bouamama.

– Melissa Farley: Komparative Studie zwischen Sexkäufer und Männern, die keine Sexkäufer sind.
– Schwedischer Soziologe Mansson: Prostitution als Spiegel gesellschaftlicher Werte.
– Prostitution bringt auch Männer nicht weiter.
3. Mythos des netten Freiers.
4. Abspaltung und Gleichgültigkeit.
5. Sexkäufer in Freierforen.
6. Was macht es mit einer Gesellschaft?
– Sexkauf ist normalisiert. Eine Generation von Sexkäufer wird in Deutschland herangezogen.
– Sexuelle Gewalt erhöht sich dadurch im Allgemeinen in der Gesellschaft.
– Schattenfrauen
7. Therapeutische Erfahrungen mit Sexkäufern.
8. Was hat in der Therapie geholfen?
9. Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.
10. Eine Schule für Sexkäufer: Frankreich als Beispiel.
11. Ausblick: Was muss dringend geschehen?

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Nie wieder Prostitution!

­­­­­Ein Text von Sandra Norak und Dr. Ingeborg Kraus. 18.09.2018.

Als Aktivistinnen gegen das System Prostitution haben wir uns durch die für den Prix Europa 2018 nominierte ZDFinfo Dokumentation „Bordell Deutschland – Milliardengeschäft Prostitution“ kenneng­­elernt, in der wir beide als Expertinnen zum Thema mitwirkten. Sandra Norak als Loverboy-Opfer, Aussteigerin von 6 Jahren Prostitution und angehende Juristin. Dr. Ingeborg Kraus als Diplompsychologin und Traumatherapeutin. In diesem gemeinsamen Text möchten wir unsere Erfahrungen und Perspektiven vereinen.

Manchmal erscheint ein Weg für uns sehr lang, manchmal zu lang, so dass wir glauben, dass wir nicht genug Kraft haben und es nicht schaffen, ihn zu Ende gehen zu können. Der Ausstieg aus der Prostitution und damit aus einem Milieu, das meist den Körper und die Seele dieses Menschen zerstört hat, ist ein ganz besonders langer und schmerzhafter Weg, der manchmal kein Ende zu nehmen scheint und auf dem man Hürden begegnet, die sich zunächst als unüberwindbar darstellen.

Immer wieder hören und lesen wir von Aussteigerinnen, die mit den Gedanken ringen wieder in die Prostitution einzusteigen oder letztlich wirklich zurückgehen, obwohl sie ihre bereits gemachte Prostitutionserfahrung als traumatisierend ansehen und Prostitution als Gewalt bezeichnen. Dieses Verhalten stößt bei vielen Außenstehenden auf Unverständnis.

Wir möchten mit unserem Text über die Schwierigkeiten des Ausstiegs aus der Prostitution aufklären und zugleich Frauen während des Ausstiegs sowie danach Mut machen.

Wenn in unserer Gesellschaft über Prostitution gesprochen wird, so hat sich durch das ProstG aus dem Jahr 2002 bei vielen die Vorstellung eingeprägt, dass sie ein Job wie jeder andere ist. Prostitution aber hinterlässt tiefe Narben an Körper und Seele. Der Ausstieg ist nicht vergleichbar mit einem einfachen Jobwechsel. Einmal in diesem Prostitutionssystem gefangen, kommen Betroffene oft nur schwer bis gar nicht mehr raus. Weiterlesen

Die Geschichte von Liliam Altuntas – Betroffene von Kinderhandel

Liliam Altuntas hat lange auf diesen Tag gewartet: Sie wollte in Deutschland in der Öffentlichkeit sprechen, sie wollte ihre Geschichte erzählen um zu sagen was ihr in diesem Land Wiederfahren ist. Sie wollte in der Sprache ihrer Täter sprechen: Auf Deutsch. Deutschland verließ sie schon vor Jahren, sie bemühte sich aber die Sprache nicht zu vergessen um eines Tages darüber zu sprechen, was ihr in Deutschland angetan wurde, was ihr hier gestohlen wurde.

Im anliegenden Video dürfen wir Liliam Altuntas sprechen hören. Einen ganz großen Dank an Sandra Norak, die dies ermöglichte.

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Wissenschaftliche Studien zu Gewalt, Traumafolgestörungen und Vor-Traumatisierungen bei Menschen in der Prostitution

Ein Text von Ingeborg Kraus, Karlsruhe, den 19.8.2020. Hier der Text als PDF-Format: Prostitution- Ein Krieg gegen Frauen-pdf1

Einführung: In letzter Zeit werden wieder Texte von Prostitutions-Befürwortern veröffentlicht, die Prostitution als Job wie jeden anderen darstellen und traumatische Folgen bestreiten. Das kann vielleicht für diejenigen auch so sein. Sie stellen aber nur eine kleine Minderheit dar und üben Prostitution oft mit körperlichem Abstand aus, meistens in Domina Studios. Hier habe ich ein paar Studien zusammengefasst, die auf ganz andere Schlussfolgerungen kommen. Es gibt noch viel mehr Studien die immer auf die gleichen Zahlen kommen: Prostitution ist gefährlicher als in den Krieg zu ziehen! Wir müssen daraus ableiten, dass Prostitution ein Krieg ist, der sich auf den Frauenkörpern austrägt.

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Prostitution kann nicht als ein Job wie jeder andere betrachtet werden, da sie traumatisierend ist. Zahlreiche Studien haben belegt, dass das Risiko in der Prostitution eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln höher liegt als im Krieg zu sein. Weiterlesen