Archiv der Kategorie: Psychische und körperliche Auswirkungen

Offener Brief an das Deutsche Institut für Menschenrechte

Offener Brief von Dr. Ingeborg Kraus und vielen MitunterzeichnerInnen an das Deutsche Institut für Menschenrechte zu seinem Positionspapier „Prostitution und Sexkaufverbot“ vom 17.10.2019.

Hier als pdf-Datei: Offener Brief an das DMIR-pdf

Karlsruhe, den 21.01.2020

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe vor kurzem an einer Konferenz zum Thema Prostitution in Boston teilgenommen. Dort sprachen ExpertInnen aus Schweden und ich möchte Ihnen positive Botschaften von ihnen übermitteln: Niemand in Schweden vermisst Prostitution! Also niemand schaut nostalgisch zurück und vermisst die „guten alten Zeiten“, wo es Bordelle in Schweden gab und man dort Frauen für die männliche Triebabfuhr kaufen durfte. Nein, Sexkauf vermisst niemand in Schweden. Sexkauf hat keinen Nutzen in einer Gesellschaft. Sexkauf verursacht aber sehr viel Leid und immense Menschenrechtsverletzungen: Er verursacht Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in atemberaubenden Dimensionen, er verursacht Gewalt / Mord, Demütigung und Frauenhass, er verursacht menschenunwürdige Verhältnisse und finanzielle Ausbeutung, er macht krank und traumatisiert Menschen oft ein Leben lang.

Warum gerade das deutsche Institut für Menschenrechte Sexkauf schützt, der aber völlig nutzlos ist, jedoch massive Menschenrechtsverletzungen hervorruft, finde ich persönlich merkwürdig!

Aber gut, sie postulieren, dass „wissenschaftliche Studien“ zeigen würden, dass ein Sexkaufverbot das Risiko sexuell übertragbarer Erkrankungen erhöhen würde, Gewalt steigen würde und die Arbeitsbedingungen der Menschen in der Prostitution sich verschlechtern würden. Auch Menschenhandel würde sich mit einem Sexkaufverbot nicht verringern“.

Ihre Recherchen, die zu dieser Schlussfolgerung führen, sind nicht ausreichend. Sie lassen nämlich wichtige Studien und Abkommen aus. Ich möchte Sie deshalb über einiges mehr informieren. Weiterlesen

Warum Frauen ihre Ausbeutung verteidigen

Ein Text von Sandra Norak und Dr. Ingeborg Kraus, 01.12.2019

Bild: Rosa Makstadt

Es fällt uns auf, dass bei manchen Veranstaltungen zum Thema Prostitution und Nordisches Modell Profiteure des Systems auftauchen, dass u.a. ganz ungeniert Zuhälter und Bordellbetreiber auftreten und Zwischenrufe tätigen. Uns fällt auf, dass diese vermehrt mit Frauen auftauchen, die in ihren Etablissements als Prostituierte tätig waren und jetzt ebenfalls von der Prostitution anderer profitieren oder aber dass sie Frauen mitnehmen, die gerade noch in der Prostitution bei ihnen tätig sind. Der Verdacht liegt nahe, dass diese sich noch in der Prostitution befindenden Frauen als Schutzschild für die Zwecke der Profiteure missbraucht werden. Dieses Szenario ist uns sehr stark in einer Veranstaltung diese Woche in Karlsruhe aufgefallen und gab uns den Anlass zu diesem Text.

Es ist eindeutig, dass deren Ziel war, die Veranstaltung zu sprengen und das Nordische Modell ohne jegliche Argumentationskultur oder Diskussion dazu zu diskreditieren. Es schien, als hätten sich diese Menschen gezielt organisiert zu kommen, um die Veranstaltung zu sabotieren.

Ok, dass die Profiteure, wie Bordellbetreiber und Zuhälter, kommen und ihr Wirtschaftsmodell und das viele Geld, das sie damit verdienen, nicht verlieren wollen ist klar und erscheint nicht verwunderlich. Uns fällt allerdings auf, dass vermehrt auch Frauen mitgenommen werden, die noch in der Prostitution sind, um das System zu verteidigen. Weiterlesen

Gegen den Hass – Nordisches Modell jetzt!

Rede von Dr. Ingeborg Kraus auf dem 3. Weltkongress gegen die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen in Mainz. 03.04.2019 https://www.capworldcongress.org – Lektorat: Angelika Fischer – Foto: Lena Reiner (Menschenfotografin)

Ich möchte diese Rede an unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel richten und an den deutschen Staat. Aus der ganzen Welt sind heute Menschen nach Deutschland gekommen weil Sie sich über die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland ernsthaft Sorgen machen. Ich hoffe, dass die deutschen Politiker und Politikerinnen auch anfangen sich Sorgen zu machen.

Das System Prostitution ist ein System der Gewalt die viele Gesichter hat: 

Es fängt schon bei der Bekleidung an: denn Gewalt ist auch zum Beispiel das völlige Nacktsein oder die leichte Bekleidung im Freien bei winterlichen Temperaturen. In der Straßenprostitution herrschen zudem mangelnde Hygienezustände, kein Schutz, keine Sicherheit, Dunkelheit, man ist den taxierenden Blicken ausgesetzt …
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Schädel-Hirn-Trauma bei prostituierten Frauen

Gewalt in der Prostitution ist allgegenwärtig und kann Schädel-Hirn-Traumata verursachen. Auf Englisch TBI: Traumatic Brain Injury. Diese Studie, die an 66 Frauen und Transfrauen durchgeführt wurde, weist erschreckende Resultate auf: 95% weisen dauerhafte Kopfverletzungen auf, entweder indem sie mit Gegenständen geschlagen wurden oder ihr Kopf gegen Objekte geschlagen wurde. Die Frauen beschreiben akute und chronische Symptome, die von diesen Verletzungen hervorgehen und/oder Gehirnerschütterungen. Diese beinhalten Schwindel, depressive Verstimmungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Orientierungsprobleme, niedrige Frustrationstoleranz, Erschöpfungszustände, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, etc. Die Abklärung auf TBI ist äußerst wichtig in der Behandlung von prostituierten Frauen.

Hier kommen sie zur Studie von Melissa Farley, Party E. Banks, Rosalie J. Ackerman und Jackeline M. Golding: http://digitalcommons.uri.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1104&context=dignity

Schattenfrauen

Schattenfrauen sind Frauen, die von ihren Ehemännern mit Prostituierten betrogen werden. Über diese „Kollateralschäden“ des Systems Prostitution wurde bislang kaum nachgedacht und es gibt so gut wie keine Erfahrungsberichte darüber.

Das folgende Interview, das ich mit einer betroffenen Frau führte, ging mir sehr nahe. Zum einen, weil mir die Dimensionen der Verletzungen erst richtig bewusst wurden. Es ist nämlich eine extreme Verletzung, wenn der Partner zu Prostituierten geht. Diese Form von Missbrauch hat zerstörerische Auswirkungen auf das ganze Familiensystem und die Opfer werden nicht ernst genommen und erhalten auch keine richtige Hilfe. Im Gegenteil, die Gefahr besteht, dass selbst Therapeuten eine Opfer-Täter Umkehrung betreiben und man von ihnen ein Brainwashing bekommt. Fachliteratur zu Sexsucht gibt es so gut wie keine in Deutschland, so besteht auch nicht die Möglichkeit sich selbst darüber aufzuklären um zu verstehen, was mit einem gemacht wird. Weiterlesen

Brief an eine Traumatherapeutin

Rede von Dr. Ingeborg Kraus in München auf der Veranstaltung „Prostitution – die unzensierte Wahrheit“, am 16.03.2018.

Lektorat: Ulrike Maier & Firdes Ceylan – Bild: Hailin Wang, „Tiefe Nacht“

Auf dem Weg nach München las ich in einem alternativen Stadtführer das Kapitel über das dritte Reich. Darin konnte ich erfahren, dass SS-Führer Heinrich Himmler ein großer Anhänger der Naturheilkunde war. Ein paar Meter neben seinem Kräutergarten in Dachau wurden Versuche mit homöopathischen Mitteln an Häftlingen unternommen, die an Tuberkulose erkrankt waren. Nur wenige Meter weiter wurden grausame medizinische Versuche mit Unterdruck- und Unterkühlung durchgeführt. Ein paar Meter vom Krematorium entfernt gab es ein KZ-Bordell und noch ein paar Meter weiter befand sich eine Kaninchenzucht um die sich die SS-Wächter liebevoll kümmerten. Nach dem Krieg wurden rund 80% der früheren Beamten wieder eingestellt.

Bei der Lektüre dieses Kapitels wurde mir plötzlich bewusst, dass wir eine Geschichte der Dissoziation des Bösen haben. Nicht nur auf individueller Ebene, also dass der gleiche Mensch, der sich liebevoll um Kaninchen kümmert in der Lage ist, anschließend Menschen zu vergasen, sondern auch auf kollektiver Ebene. Unser Volk hat das Böse abgespalten und nach dem Krieg so weiter gemacht, als wäre nichts passiert.

Diese Form der kollektiven Dissoziation erlebe ich auch im Bereich der Prostitution. Hier ist es jedoch enorm wichtig hinzuschauen, aufzuklären und kritisch zu sein um dazu beizutragen, Frauen aus ihrer prekären Situation herauszuholen. Alles andere legitimiert die psychische und physische Zerstörung vieler Frauen, die im „System Prostitution“ gefangen sind. Weiterlesen

Prostitution ist Gewalt gegen Frauen!

Vortrag von Dr. Ingeborg Kraus am 25.11.2016 in Straßburg.

Anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, haben der Préfet der Region Alsace Champagne-Ardenne Lorraine, der Direktor der regionalen Gesundheitsbehörde, in Zusammenarbeit mit den Vereinen: centre d´information des droits des femmes et des familles (CIDFF), Mouvement du Nid France, Pénélope 67, zu einem grenzübergreifenden Symposium zum Thema „Prostitution und Gesundheit: Herausforderungen und Perspektivenwechsel in Europa“ geladen. 

Ich möchte mich bei den Veranstalterinnen und Veranstaltern für dieses deutsch-französische Symposium bedanken. Diese erste große Veranstaltung nach der Einführung des Gesetzes zum Abbau des Systems Prostitution in Frankreich neben Deutschland hat einen symbolischen Wert für uns. Ich denke, man muss Deutschland in der Tat wachrütteln. Deutschland, das in vielen europäischen Themen Vorgaben macht, wird in diesem Fall von Frankreich und von Schweden Nachhilfe gebrauchen können.

Anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, möchte ich über die dramatischen Folgen, die Prostitution nach der Legalisierung in Deutschland angenommen hat, berichten und beweisen, dass Prostitution Gewalt gegen Frauen ist. Anschließend werde ich etwas über dessen psychische Folgen sagen.

Ich wollte meinen Fokus deshalb auch auf die Gewalt legen, weil die politischen Diskussionen in Deutschland den Aspekt der Gewalt nie wirklich zur Kenntnis genommen haben. Prostitution wird als private Spielerei betrachtet, wo sich der Staat nicht einzumischen hat.[1] Weiterlesen

Stellungnahme von Wolfgang Heide, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe

Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zur 
„Regulierung des Prostitutionsgewerbes“ im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Gesundheit im Deutschen Bundestag am 06. Juni 2016

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren.
Ich bedanke mich für die Gelegenheit, mich im Vorfeld der Sitzung am 06. Juni zum Themenkomplex „Prostitution und Gesundheit“ äußern zu dürfen.

Vorbemerkung:

Seit der Gründung Beratungsstelle „Amalie“ in Mannheim betreue ich dort, sowie in meiner Praxis in Heidelberg ehrenamtlich Prostituierte. Diese Betreuung geht weit über medizinische Untersuchungen hinaus, beinhaltet viele Gespräche, ebenso wie „Streetworking“ also aufsuchende Arbeit in den sogenannten Laufhäusern. Da die Frauen im Laufe der Jahre ein Vertrauensverhältnis zu mir aufgebaut haben, berichteten sie mir Dinge, die in einem kurzen Beratungsgespräch nicht an den Tag kommen können.

Aufgrund meiner Erfahrungen wurde ich gebeten eine Stellungnahme zur gesundheitlichen Situation von Prostituierten abzugeben. Weiterlesen

Lutz Besser: Stellungnahme zum ProstituiertenschutzG

Stellungnahme zur Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Prostitutionsgewerbes sowie zu Schutz von in der Prostitution tätigen Personen. 04.06.2016

Als Arzt, Psychiater, Kinder- und Jugendpsychiater, Traumaexperte und Leiter des zptn – Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen, möchte ich aus meiner lang-jährigen therapeutischen Arbeit mit misshandelten und sexuell ausgebeuteten Menschen und ihren Traumafolgebelastungen und -störungen nun als geladener Sachverständiger v.a. auch emotional unterlegt Stellung beziehen, da die sicherlich im juristischen Bereich notwendige schriftliche Versachlichung von Gesetzesentwürfen und Anträgen verschiedener Fraktionen, die hier zur Diskussion stehen, aus meiner Sicht mit zur Bagatellisierung und Ausblendung von gravierenden Fakten im Bereich der Prostitution in Deutschland beitragen.

Meine Haltung und die dazu gehörigen schriftlichen Formulierungen und verbalen Äußerungen sind frei von irgend einer parteipolitischen oder religiösen Überzeugung oder Zugehörigkeit und sind auch nicht Teil einer konservativen versus progressiven, anders ausgedrückt einer puritanischen, lustfeindlichen versus freie sexuelle Selbstbestimmung bejahenden Haltung. Zum Teilen sexueller Freuden und Lust von gleichgestellten Menschen bekenne ich mich ausdrücklich und halte beglückende Sexualität zwischen zwei Menschen für eine wichtige Ressource in der zwischenmenschlichen Interaktion. Aber es geht in der Diskussion um Prostitution um etwas ganz anderes. Weiterlesen

Prostitution ist unvereinbar mit der Gleichstellung von Frau und Mann

Vortrag von Dr. Ingeborg Kraus in Madrid am 15.10.2015,  anlässlich der Fachtagung zu Prostitution, organisiert durch: „La Comision para la investigation de malos tratos a mujeres“.

In Deutschland wird die Idee eines Sexkauf-Verbots oft noch nicht einmal zur Kenntnis genommen, geschweige denn angestrebt, weil man denkt, es gäbe eine gute Prostitution. Es besteht natürlich Konsens darüber, dass „Kinderprostitution“ schlecht und Zwangsprostitution eine schwere Straftat ist, aber die Prostitution, in der sich zwei erwachsene Menschen einig werden…. Warum sollte sich da der Staat einmischen? Und ihnen vorschreiben, wie sie Sex haben? Oder ihn sogar verbieten? Das geht doch nicht!

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