Zur Realität in der Prostitution und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen

von Dr. Anita Heiliger

Die Existenz von Prostitution vermittelt Männern wie Frauen männliche Dominanz in der Gesellschaft. Männern wird (sexuelle) Verfügbarkeit von Frauen vermittelt und Frauen ihr unterlegener gesellschaftlicher Status. Die Juristin Rahel Gugel formuliert in ihrer Arbeit: „Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II Grundgesetz“: „Die faktischen Auswirkungen des ProstG normalisieren … nicht nur gesamtgesellschaftlich das sexistische und geschlechtshierarchische Frauenbild in Prostitution und Sexindustrie. Vielmehr stützen und zementieren sie auch allgemein eine diskriminierende geschlechtshierarchische Einstellung von Männern gegenüber Frauen in der Bundesrepublik.“
Prostitution an sich ist Gewalt gegen Frauen und stützt und fördert die männliche Herrschaft sowie die kollektive Entwürdigung von Frauen, sie untergräbt die Bemühungen um Gleichberechtigung der Geschlechter. Die folgenden Berichte von Aussteigerinnen zeigen, dass Prostitution kein Sex ist, sondern kommerzialisierte sexuelle Gewalt.
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Wir wurden viel zu lange zum Schweigen gebracht

Rede von Tanja Rahm auf dem Kongress Stop Sexkauf, 4. bis 6. Dezember 2014 in München, Rede im Workshop „Die Realität der Prostitution: Aussteigerinnen berichten“

In der erstem 6 Monaten in 2014 wurden 29 Menschen als Menschenhandelsopfer zur sexuellen Ausbeutung in Dänemark identifiziert. Und dennoch scheint sich niemand für die 70 nigerianischen Frauen, die die ganze Nacht in einer Kopenhagener Straße stehen, zu interessieren. Genauso wenig interessieren die osteuropäischen Frauen, die dort tagsüber stehen. Und das ist nur die eine Straße in Kopenhagen. Wir haben viele solcher Straßen in Dänemark und wir haben Innenprostitution. Ich denke, jede die heute hier ist, weiß, dass sehr viele dieser gehandelten Frauen auch in den Terminwohnungen, Häusern und Wohnwagen versteckt werden.

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Eiszeit der Ethik

Transkription: Dr. Ingeborg Kraus

In einer Doku des Bayerischen Rundfunks (s.u.) äußerten sich führende TraumatherapeutInnen wie Lutz Besser und Michaela Huber zu den Folgen des liberalen Prostitutionsgesetzes in Deutschland. Hier Ausschnitte davon:

Besser: Als vor vielen Jahren, die sozial verständliche Idee heraus entstanden ist, die Frauen in der Prostitution aus dem sozialen Abseits heraus zu holen, es zu entkriminalisieren, ist in Deutschland etwas schreckliches passiert. Es war sozusagen die Legalisierung die dazu geführt hat, und dafür müssten wir uns schämen, dass wir das Bordell Europas sind.

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Prostitution als Reinszenierung erlebter Traumata

von Dr. Ingeborg Kraus

Bericht von einer Veranstaltung, Kofra, München (28.03.2014)

Anita Heiliger, Kofra, begrüßt die Anwesenden mit folgenden Worten: Im Gegensatz zu Frankreich, das nach mehr als 10 jähriger Debatte, eine klare Haltung zum Sexkauf entwickelt hat, lösen sich in Deutschland derzeit die Fronten auf – dies kann man sowohl in den Medien als auch in politischen Gremien verfolgen. Auf europäischer Ebene ist mit dem Honeyball Beschluss ein deutliches Zeichen gesetzt worden. Auch die europäischen Kampagne „Europe free from prostitution“ , der sich Kofra angeschlossen hat, setzt sich klar für ein Sexkaufverbot ein. In der gegenwärtigen Debatte in Deutschland werden die Auswirkungen der Prostitution stark verharmlost. Vie zu selten wird auch thematisiert, welche psychischen Prozesse mit der Arbeit in der Prostitution verbunden sind – mit anderen Worten: was Prostitution mit den Frauen macht. Vielleicht gelingt es, diese Prozesse in der heutigen Veranstaltung etwas herauszuarbeiten.

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Prostitution und Freiwilligkeit

Illustration: Rosa Makstadt

von Dr. Ingeborg Kraus

Prostitution wird oft als eine ganz normale Sache dargestellt, die schon immer existiert hat. Dabei wird kaum über die Frauen nachgedacht, die der Prostitution nachgehen. Wenn ja, kommt immer sehr schnell das Argument der „Freiwilligkeit“ ins Spiel. Wer möchte sich dann noch in die Rolle eines sanktionierenden bzw. verurteilenden Menschen begeben? Doch wie kommt eine Frau überhaupt in die so genannte „freiwillige“ Prostitution und was bedeutet das für sie (und für ihre Kinder)? Prostitution ist zur selbstverständlichen Erwerbsoption geworden: Die Frage ob es ein Beruf wie jeder Andere ist, wurde in den letzten Jahren sowohl von der Politik als auch von Gewerkschaftsseite ernsthaft  diskutiert.

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Prostitution: Warum Deutschland Sexkauf verbieten muss

Bild 2Expertinnen aus ganz Deutschland haben sich  am 20.06.2014 in München getroffen, um die Situation der Frauen in der Prostitution zu diskutieren. Sie kamen einhellig zu dem Ergebnis, dass Prostitution an sich Gewalt gegen Frauen ist. Die Realität der Frauen in der Prostitution wird öffentlich, fachlich und politisch glorifiziert, bagatellisiert, ignoriert und geleugnet. Nach Ansicht der Expertinnen muss die Nachfrage nach Prostitution beendet werden, ein Sexkaufverbot sehen sie daher als unerlässlich an. Sie haben die Initiative Stop Sexkauf gegründet, die als Plattform für alle Gruppierungen und Personen fungieren wird, die eine grundlegende Lösung für die Frage der Prostitution anstreben. 

Die Journalistin Sabrina Hoffmann nahm an diesem Netzwerktreffen teil und schrieb folgenden Artikel dazu:

von Sabrina Hoffmann

Zwei Jahre waren genug, um ihr Leben zu zerstören. Zwei Jahre hat Marie als Prostituierte gearbeitet. Männer demütigten, benutzten und schlugen sie. Mit Anfang 40 fing Marie an, ihren Körper zu verkaufen. Weil sie keinen anderen Ausweg aus ihrer finanziellen Not sah.

Es schien eine gute Möglichkeit, schnell an Geld zu kommen. Warum auch nicht, dachte sie sich. „Du bist eine erwachsene Frau. Du hast gelebt, du hast geliebt.“ Am Anfang fühlte sie sich sogar geschmeichelt. Denn Männer bezahlten dafür, mit ihr zu schlafen. Also musste sie etwas wert sein.

Doch Marie merkte bald, dass sie den Männern gleichgültig war. Für die Freier zählte nur, dass Marie ihre sexuellen Wünsche erfüllte, egal wie ausgefallen oder abartig sie waren.

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Internationaler Kongress zum Abbau der Prostitution – Stop Sexkauf – 5.-7.12.2014 – München

Die Frauen in der Prostitution erleben die Benutzung ihres Körpers durch fremde Männer von einem bis zu 20 oder 30 mal am Tag. Mit Schweden beurteilen wir diese Realität als Gewalt gegen Frauen. Eine Aufklärung über die konkrete Situation für die Frauen und die physischen, psychischen und mentalen Folgen für sie ist dringend notwendig. Frauen, die es geschafft haben, aus der Prostitution auszusteigen, melden sich zunehmend zu Wort. Sie berichten, dass sie ihre Wahrnehmung abspalten müssen und wie eine Maschine reagieren, um die Demütigungen und die Schmerzen auszuhalten, die ihnen durch die ständige vaginale, anale und orale Penetration zugefügt werden. Sie berichten, dass sie dieses Muster der Abspaltung durch Gewalterfahrungen in der Kindheit gelernt haben. Sie glauben, durch die Wiederholung dieser Traumata in eigener Entscheidung Kontrolle über die Situation und damit Stärke zu gewinnen. Das Gegenteil ist der Fall: sie perpetuieren die Traumata durch die ständige Wiederholung. Sie berichten von Entzündungen und Verletzungen in der Vagina, im After und im Mund- und Rachen sowie von Infektionskrankheiten wie Hepatitis B. Sie erleben Schmerzen bei der ständigen Penetration und dem Ausleben weiterer Handlungen der Freier bis hin zu Folter.

Der Kongress will aufklären über die Realität in der Prostitution, das hohe Risiko, das die Frauen tragen, die hohe Gewalt, die von Freiern ausgeht. Sie will den Mythen der Prostitution die Wirklichkeit entgegensetzen und deutlich machen, dass Sexkauf nicht erlaubt werden darf.

Folgende Diskussionsforen widmen sich dem Thema Trauma und Prostitution:

Die Realität in der Prostitution, Einstieg und Folgen: Aussteigerinnen/Überlebende berichten:

Rachel, Moran, Dublin/Irland, SPACE International; Tanja Rahm, Kopenhagen/ Dänemark, SPACE International; „Marie“, Deutschland, www.freiersblick.de; Jana Koch-Krawczak, Deutschland, Begleitung von  Projekten gegen Prostitution und Menschenhandel. Moderation: Dr. Ingeborg Kraus 

Trauma und Prostitution. Erfahrungen und Forderungen:

Dr. Muriel Salmona, Psychotraumatologin, Paris, Michaela Huber, Psychotraumatologin, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation, Dr. Ingeborg Kraus, Psychologin, Karlsruhe, Polina Hilsenbeck, Frauentherapiezentrum, München; Tanja Rahm, dänische „Survivor“ und Therapeutin. Moderation: Dr. Ingeborg Kraus.

Hier der Flyer zum Kongress: STOPSEXKAUF.Kongress

Tanja Rahm über Gewalt, Traumata und Dissoziation in der Prostitution

Rede von Tanja Rahm auf dem Kongress Stop Sexkauf, 4. bis 6. Dezember 2014 in München,  im Workshop „Traumata und Prostitution: Erfahrungen und Forderungen“.

Vor 10 Jahren wurde ich aus Frustration Therapeutin. Diese Frustration rührte aus meiner eigenen Erfahrung mit einer Psychologin, zu der ich ging nach einem zweiten sexuellen Übergriff, als ich 12 Jahre alt war. Diese Psychologin hatte keine Ahnung, was ich durchmachte. Diese Frau hatte an der Universität studiert. Sie hatte eine mindestens 7-jährige Ausbildung hinter sich. Und trotzdem hatte sie keine Ahnung, wie sie einem 12-jährigen Mädchen, welches von einem Mann in einem Hauseingang sexueller Gewalt ausgesetzt worden war, helfen konnte. Sie konnte mir fast nicht in die Augen sehen. Ich erinnere mich, dass ich da in ihrem Sofa saß, während sie sich Notizen machte. Ich fühlte mich unwohl dabei, so analysiert zu werden, um in das Schema zu passen, in welches ihre Ausbildung sie gelehrt hatte, mich hineinzupressen. Ich war nur ein paar Mal dort, denn es war eine Verschwendung des Geldes meiner Mutter. – Wenn es ihr gelungen wäre, mir zu helfen, dann hätte mein Leben anders verlaufen können.

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Studie von Melissa Farley zu Prostitution und Menschenhandel

Auf internationaler Ebene haben Melissa Farley u.a. bisher die einschlägigsten Ergebnisse veröffentlicht mit Daten aus neun verschiedenen Ländern (2004). Demnach zeigten zwei Drittel der untersuchten 854 Frauen in der Prostitution Symptome von PTBS (posttraumatischer Belastungsstörung), die in ihrer Deutlichkeit vergleichbar waren mit denen von therapiesuchenden Kriegsveteranen, Frauen, die in Frauenhäuser flohen, Überlebenden von Vergewaltigungen und Flüchtlingen, die staatlich sanktionierter Folter ausgesetzt waren. Die Intensität der traumaabhängigen Symptome hing von der Intensität der Prostitutionstätigkeit ab. Frauen mit mehreren Freiern berichteten von härteren körperlichen Symptomen. Je länger die Frauen in der Prostitution tätig waren, desto wahrscheinlicher war eine Infektion mit einer Geschlechtskrankheit.
Hier geht es zur Studie „Prostitution and Trafficking in Nine Countries: An Update on Violence and Posttraumatic Stress Disorder„. (PDF auf englischer Sprache).

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Menschenhandel, Prostitution und Ungleichheit: Ein öffentlicher Vortrag von Catharine MacKinnon

Catharine MacKinnon ist Professorin für Rechtswissenschaft, Anwältin und radikale Feministin. In ihrem Gastvortrag an der University of Chicago Law School spricht sie über die Folgen und die Bedeutung der systematischen Misshandlung von Frauen, über ihre Erfahrungen in Indien, das schwedische Modell und warum das Experiment der Legalisierung gescheitert ist.

Die Textversion ihres Vortrags (PDF- englische Sprache) finden sie hier.